Academia.eduAcademia.edu
Militärische Ausrüstungsgegenstände, Pferdegeschirrbestandteile und Fibeln aus dem römischen Vicus Pons Aeni/Pfaffenhofen -19 Abbildungen und 2 TafelnVon Meike Weber, Nottingham Einleitung1 Obwohl der römische Vicus Pons Aeni/Pfaffenhofen auf dem Kastenfeld bei Rosenheim schon früh das Interesse regional ansässiger Forscher und Archäologen weckte, ist der Kenntnisstand zu der Siedlung und dem spätrömischen Truppenstandort bis heute noch lückenhaft. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts löste die Entdeckung römischer Münzen und Keramik erste Grabungen aus. Erst in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts fanden jedoch gezielte Ausgrabungen in diesem Bereich statt. Die Untersuchungen wurden 1967 von R. Christlein und H.-J. Kellner, 1969 von R. Christlein sowie 1971 und 1974 von J. Garbsch geleitet2. Dabei entdeckte man am Ostrand des Kastenfeldes Bebauungsspuren3. Am Westrand des Areals wurden Wehranlagen angeschnitten, die man als Reste des Kastells einer schriftlich für Pons Aeni bezeugten spätrömischen Einheit interpretierte4. 1978 bis 1980 unternahm die Prähistorische Staatssammlung München unter Leitung von J. Garbsch archäologische Untersuchungen in der gegenüberliegenden Flur Mühlthal, bei denen ein Mithräum aufgedeckt wurde5. Seit den sechziger Jahren beschäftigt sich W. Ager aus dem benachbarten Raubling, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege, mit dem Vicusareal und der Umgebung von Pons Aeni/Pfaffenhofen. Das von ihm bei Feldbegehungen aufgelesene Fundmaterial6 weckte bei einer Sichtung durch M. Mackensen und die Verfasserin im Oktober 2004 aufgrund des breiten Spektrums an mittelkaiserzeitlichen Militaria und Pferdegeschirrbestandteilen sowie mittel- und spätkaiserzeitlichen Fibeln großes Interesse. So stellte sich die Frage, warum an einem Ort, der erst in spätrömischer Zeit schriftlich belegt über eine militärische Präsenz verfügte, mittelkaiserzeitliche Militaria in derartig auffälliger Menge vorliegen. Das Fibelspektrum spiegelt nicht nur die Grenzlage zwischen dem obergermanisch-raetischen Raum und den mittleren sowie 1 Dieser Aufsatz stellt die verkürzte und überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit dar, die im Oktober 2005 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München abgeschlossen wurde. Für die Anregung und die fachliche Betreuung der Arbeit möchte ich Herrn Prof. M. Mackensen sehr herzlich danken. Das Fundmaterial stellte Herr W. Ager (Raubling), langjähriger ehrenamtlicher Betreuer des Kastenfeldes, bereitwillig zur Verfügung. Auch ihm sei an dieser Stelle für seine Unterstützung herzlichst gedankt. Weiterhin danke ich Dr. J. Faßbinder (Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, München), der mir damals noch unpublizierte Ergebnisse der geomagnetischen Prospektion zur Verfügung stellte. Meinen Münchner Kollegen und Kolleginnen, besonders S. Reuter M.A., F. Schimmer M.A., Dr. R. Franke sowie Dr. S. Gairhos (Augsburg), Dr. B. Steidl (München) und C. Rummel M.A. (Nottingham) sei herzlichst für die vielen anregenden Diskussionen und wertvollen Hinweise gedankt. Dr. B. Steidl verdanke ich auch die Möglichkeit, noch unpubliziertes Fundmaterial aus Oberndorf a. Main und Dambach einsehen zu können. 2 Christlein/Kellner 1969, 76–161; Christlein u.a. 1976, 1–106. 3 Christlein/Kellner 1969, 87–94; Christlein u.a. 1976, 76–80; 83-85. 4 Ebd. 97–100. 5 Garbsch 1985, 355–462. 6 W. Ager ist es zu verdanken, dass viele der von ihm geborgenen Fundstücke digital eingemessen wurden und somit ihre Fundstelle in Pfaffenhofen innerhalb der Flur Kastenfeld einwandfrei zu bestimmen ist. 1 unteren Donauprovinzen wider, sondern fällt vor allem auch durch die Menge spätrömischer Zwiebelknopffibeln auf. Aufgrund dieser ersten Beobachtungen bot es sich an, die Materialgattungen im Rahmen der historischen Überlieferung und den Ergebnissen der Altgrabungen sowie der geomagnetischen Untersuchungen auszuwerten, und so die Besiedlungsgeschichte des Vicus Pons Aeni aus einem neuem Blickwinkel zu betrachten. Geographische Situation und Lage der Fundstellen Der moderne Ort Pfaffenhofen befindet sich im Inntal ca. 5 km nördlich der Stadt Rosenheim (Abb. 1). Aufgrund seiner Lage auf einer natürlichen leichten Erhebung am Westufer des Inns ist der Ort mit der direkt anschließenden Flur Kastenfeld vor möglichen Überflutungen geschützt (Taf. 1). In der Antike war dieser Platz nicht nur aufgrund seiner Lage an zwei wichtigen Fernstrassen und dem schiffbaren Fluss, sondern auch wegen seiner Grenzlage zwischen zwei Provinzen, von verkehrsgeographischer Bedeutung. Die Zugehörigkeit des Vicus zu einer Provinz scheint sich dabei im Verlauf der römischen Kaiserzeit geändert zu haben7. Eine Weihinschrift aus Poetovio/Ptuj8 deutet an, dass Pons Aeni in der mittleren Kaiserzeit in Noricum lag (und somit zum illyrischen Zollbezirk gehörte9), während in der Notitia Dignitatum occ. XXXV 15 ein Ponte Aoni als spätantiker raetischer Truppenstandort aufgeführt wird. Unweit der Siedlung überquerte die Straße von Iuvavum/Salzburg nach Augusta Vindelicum/Augsburg vermutlich zwischen der auf dem Ostufer gelegenen Flur Mühlthal und dem Kastenfeld den Inn10. Außerdem kreuzte sie im Bereich von Pfaffenhofen eine von Italien über den Brenner bis nach Regensburg führende Nord-Süd-Transversale11 (Abb. 2). Diese Infrastruktur dürfte auch die vielen römischen Fundplätze beiderseits des Flusses im Umfeld von Pfaffenhofen erklären (Abb. 3). So ist auf der Hochterrasse der östlichen Uferseite bei Moosen eine militärische Anlage bekannt, die aufgrund der historischen Überlieferung bei Tacitus mit den Unruhen des Vierkaiserjahrs 69 n. Chr. in Verbindung gebracht wurde12. Im Hangbereich der Flur Mühlthal wurde 1980 das Mithräum entdeckt13. Mit Ausnahme dieses Befundes fehlen in der Flur Mühlthal jedoch jegliche Bebauungsspuren, obwohl das Lesefundmaterial eine Besiedlung nahe legt14. Vermutlich ermöglichte eine Holz- oder Steinbrücke seit der frühen Kaiserzeit die Überquerung des Inns15. Diese verband die im Bereich Mühlthal in das Inntal absteigende Strasse auf dem Ostufer mit der im Bereich Kastenfeld erkennbaren Strasse auf dem Westufer. Fundmünzen aus dem Flussbett deuten eine Nutzung vom 1. 7 Ulbert 1971, 110–112. CIL III 151847; Christlein/Kellner 1969, 77 f. 9 Christlein/Kellner 1969, 78; Ulbert 1971, 113; Pietsch 2001, 161. 10 Vgl. den Beitrag von W. Czysz über die römische Innbrücke im Rahmen der Grabungspublikation in Christlein u.a. 1976, 101–106. 11 Zu den Straßenzügen und -verläufen in und um Pons Aeni s. J. Stern, Römerräder in Raetien und Noricum. Unterwegs auf römischen Pfaden. Röm. Österreich 25, 2002 (Wien 2003) 101–119. 12 Pietsch 1995, 99–101. 13 Garbsch 1985, 355–462. 14 Ob sich dies mit der Hanglage und zu vermutender Bodenerosion durch starke Regenfälle bzw. Überflutung erklären lässt, muss ohne weitere Untersuchungen fraglich bleiben. 15 Christlein u.a. 1976, 101. 8 2 bis in das fortgeschrittene 4. Jahrhundert an16. Auf dem Westufer befindet sich etwa 600 m entfernt vom heutigen Flusslauf die ca. 50 ha große Flur Kastenfeld. Durch Ausgrabungen17 und eine geomagnetische Prospektion18 konnten am Ostrand des Areals römische Gebäudestrukturen nachgewiesen werden, die sich einseitig entlang der Straße orientieren (Abb. 4). Funde von Töpfereiabfällen sowie der geomagnetische Nachweis von Töpferöfen belegen eine Sigillataproduktion in dem Straßenvicus. Spätantike Befunde beschränken sich auf einen als horreum angesprochenen Tuffsteinbau, von dem in den Grabungen nur noch die untersten Fundamentlagen festgestellt werden konnten19. Weiter westlich wurden 1974 im Bereich des rezent überbauten Geländes ein Spitzgraben und eine Mauerausbruchsgrube angeschnitten20. Diese wurden von Garbsch mit dem in der Notitia Dignitatum genannten Truppenstandort Ponte Aoni in Verbindung gebracht21. Ein weiterer wichtiger Fundort in unmittelbarer Umgebung ist die Sigillatatöpferei von WesterndorfSt. Peter, die vom späten 2. bis in das mittlere Drittel des 3. Jahrhunderts hauptsächlich die donauabwärts gelegenen Provinzen belieferte22. Antike Quellen und epigraphische Belege Der Name Pons Aeni ist in mehreren antiken Quellen zu finden. Die früheste inschriftliche Nennung datiert in die Mitte des 3. Jahrhunderts. Der bereits erwähnte Weihestein aus Poetovio nennt eine statio Enensis, welche wahrscheinlich mit Pons Aeni gleichzusetzen ist23 (Taf. 2,1). Das Itinerarium Antonini und die Tabula Peutingeriana führen ein Ponte Aeni bzw. Ad Enum in einer Entfernung von 20 römischen Meilen zu der nicht lokalisierten Siedlung Isinisca auf24. Die Notitia Dignitatum erwähnt weiterhin ein Ponte Aoni als spätantiken raetischen Truppenstandort. Als Besatzung wird eine Abteilung der Equites stablesiani iuniores genannt, welche zum Zeitpunkt der letzten Redaktion des Textes bereits nach Febians (Febiana) versetzt worden war25. Eine weitere Einheit, die sich möglicherweise in spätrömischer Zeit in Pons Aeni befunden haben könnte sind die pseudocomitatensischen Pontaenenses, die dem magister peditum in Italia unterstellt waren26. 16 Christlein u.a. 1976, 103 f. Christlein/Kellner 1969, 76–161; Christlein u.a. 1976, 1–106. 18 Faßbinder/Pietsch 2005, 100–102. 19 Christlein u.a. 1976, 84. 20 Ebd. 97–100. 21 Ebd. 100. – Vgl. hierzu Pietsch 1995, 101; ders. /Kostial-Gürtler 2000, 74; Steffan/Uenze 2003, 80 f. 22 H.-J. Kellner, Zur Sigillatatöpferei von Westerndorf I. BVbl. 26, 1961, 165–203; ders., Die Bildstempel von Westerndorf. Comitialis und Jassus. BVbl. 46, 1981, 121–189; ders./D. Gabler, Die Bildstempel von Westerndorf II. Helenius und Onniorix. BVbl. 58, 1993, 185–207. – Zur Sigillataproduktion von Westerndorf und Pfaffenhofen ist außerdem ein Projekt am Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien, in Arbeit. 23 s. Anm. 8. 24 Reinecke 1924, 39; K. Miller, Weltkarte des Castorius genannt die Peutingersche Tafel (Ravensburg 1888) Segm. IV, 3. – Zur Datierung der Tabula Peutingeriana vgl. L. Bosio, La Tabula Peutingeriana (Rimini 1983) 148–162. 25 Not. Dign. occ. XXXV 15. 26 Not. Dign. occ. V 263. – Aufgrund des Namens wird ein Bezug zu dem Ort Pons Aeni hergestellt, der möglicherweise Rückschlüsse auf das Rekrutierungsgebiet oder die Herkunft der Einheit zulassen könnte (vgl. auch Christlein/Kellner 1969, 78; Th. Meier, Zwischen Karpaten und Aquitanien. Das untere Mangfalltal um 17 3 Die Funde Die zur Bearbeitung zur Verfügung gestellten Funde aus dem Vicusareal sind, mit Ausnahme der wenigen zusätzlich aufgenommenen Stücke aus den Altgrabungen, Oberflächenfunde ohne konkreten Befundbezug27. 1. Militärische Ausrüstungsgegenstände Trachtbestandteile (außer Fibeln) (Abb. 11, Nr. M1–M26; Abb. 12, Nr. M27–M42) Gürtelgarnituren zählen zu den am häufigsten überlieferten Trachtbestandteilen der römischen Kleidung. Im militärischen Bereich entwickelte sich die Tragweise des Gürtels im 1. Jahrhundert n. Chr. von zwei kreuzweise getragenen Gürtelriemen hin zu einem einzelnen Gürtel, an dem das Schwert befestigt wurde28. Vereinzelt lassen sich bereits schmale Schulterriemen als Schwertaufhängung beobachten29. Im Verlauf des 2. Jahrhundert setzte sich der quer über der Brust getragene balteus als Wehrgehänge durch, so dass der Gürtel nur noch zur Befestigung eines Dolches und kleinerer Taschen oder Messer diente30. Im frühen 3. Jahrhundert trat mit den Ring- und Rahmenschnallencingula eine neue Form der Gürtelschließen auf31. Diese, ebenso wie der balteus, kamen wohl erst im frühen 4. Jahrhundert außer Mode und wurden durch einen einfachen Hüftgürtel ersetzt, an dem das Schwert befestigt wurde32. Die Cingulumschnalle Nr. M1 zeichnet sich durch einen D-förmigen Bügel mit T-förmiger Öse zur Aufnahme des Riemenendbeschlags33 aus. Die Schnalle weist starke Abnutzungsspuren auf, die vermutlich auf eine lange Verwendungsdauer schließen lassen. J. Oldenstein ging von einer Datierung dieses reichsweit verbreiteten Typs34 von der Mitte des 2. bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts 400 n. Chr. In: G. Graenert u.a. (Hrsg.), Hüben und Drüben – Räume und Grenzen in der Archäologie des Frühmittelalters. Festschrift M. Martin. Arch. und Mus. 48 [Liestal 2004] 302). 27 Der Herkunftsort der Funde, die nicht auf dem Kastenfeld, sondern in der Flur Mühlthal gefunden wurden (es handelt sich um zwei Militaria: eine dreiflügelige Pfeilspitze und einen Schildbuckel aus Eisen), ist im Katalog vermerkt. 28 Bishop/Coulston 2006, 106. – Allg. zur Entwicklung der Gürteltracht anhand der bildlichen Darstellung s. Ubl 1969, 208–249. 29 Deschler-Erb 1999, 40. 30 Bishop/Coulston 2006, 154; Gschwind 2004, 152. 31 Allg. zu Ring- und Rahmenschnallencingula s. Bishop/Coulston 2006, 182–184; Fischer 1988, 167–190; v. Schnurbein 1995, 139–148; Gschwind 2004, 164–168. 32 Zum Ende des Ring- und Rahmenschnallencingulums zuletzt Gschwind 2004, 167. – Zur spätrömischen Gürteltracht des 4. und 5. Jahrhunderts u.a. Sommer 1984; Bullinger 1969. 33 Schnallen dieses Typs wurden mit unterschiedlichen Beschlägen kombiniert, vgl. hierzu die Gürtelschnallen mit Beschlag aus Osterburken und Neuburg a. d. Donau (Oldenstein 1976, 214 Abb. 7; 134 Abb. 1a). Weitere Exemplare: Deutschkreuz: Fundber. Österreich 15, 1976, 239 Abb. 220. – Loretto: Fundber. Österreich 36, 1997, 832 Abb. 625. 34 Exemplare dieses Schnallentyps finden sich z.B. in Britannien, Spanien, den Rhein- und Donauprovinzen, Syrien, Jordanien oder auch in Nordafrika (vgl. hierzu Gschwind 2004, 158 Anm. 638; Oldenstein 1976, 214– 216 bes. 215 mit Anm. 719). 4 aus35. Aufgrund der Exemplare aus Dura-Europos36 wäre jedoch sogar eine Verwendung bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts möglich. Eine vollständige Garnitur aus Osterburken37 dokumentiert die Zugehörigkeit bestimmter Beschläge wie die zwei durchbrochenen Exemplare aus Pons Aeni (Nr. M16–1738), wobei das kleine erhaltene Nietloch und die Nietstifte eher für eine Anbringung auf dem Lederriemen als direkt an der Schnalle sprechen39. Eine rechteckige Schnalle (Nr. M2) mit eingezogenen Längsseiten und zentralem Steg lässt sich den doppelseitigen Schnallen mit Dornhalter nach Oldenstein zuweisen40. Vergleichbare Exemplare liegen vom Feldberg im Taunus und aus dem Kastell Holzhausen (Rheinland-Pfalz) vor, wo sie frühestens gegen Mitte (Feldberg) bzw. Ende (Holzhausen) des 2. Jahrhunderts in den Boden gelangt sein können41. Möglicherweise wurde dieser Schnallentyp aber nicht mittels Dorn im Gürtelleder verhakt, sondern wie ein Rahmenschnallencingulum geschlossen, wodurch sich ein vergleichbarer Verwendungszeitraum im 3. Jahrhundert ergeben würde42. Als Gürtelschnalle kann wohl auch die kleine Ringschnalle mit beweglichem Dorn Nr. M3 angesprochen werden. Da der Durchmesser des Stücks mit dem der Nr. M1 vergleichbar ist, kann eine Verwendung am Gürtel durchaus angenommen werden. Kleine Ringschnallen aus dem Kastell Niederbieber legen eine Datierung vom ausgehenden 2. bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts nahe43. Das Fragment einer Bronzeschnalle mit festem dreieckigem Beschlag44 (Nr. M4) gehört zu den wenigen spätrömischen Gürtelbestandteilen aus Pons Aeni. Erhalten sind nur noch das runde, flache Beschlagende mit Nietloch und Resten eines eisernen Nietstifts sowie ein Teil des Beschlagrahmens mit umlaufender Längskehlung. Bronzeschnallen mit festem dreieckigem Beschlag liegen u.a. von der Burg Sponeck, vom Münsterberg in Breisach, aus Linz-Zizlau oder Burghöfe vor45. Eine Schnalle aus Grab 3 in Szentlászló-Szentegyedpuszta ist ebenfalls mit einer Längskehlung verziert und war mit einer Zwiebelknopffibel Keller/Pröttel 3/4 vergesellschaftet46. Während H. Böhme eine Datierung des Schnallentyps von der ersten bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts annahm47, sprach sich R. Swoboda für eine Verwendung von der Mitte des 4. bis in das 5. Jahrhundert aus48. Ph. Pröttel konnte zuletzt für die Exemplare mit Längskehlung eine Verwendung im mittleren und letzten Drittel des 4. Oldenstein 1976, 216. – Vgl. hierzu auch zwei entsprechende Gürtelschnallen aus Brandbestattungen in Carnuntum, die mit Münzen des Hadrian und Nerva (Grab 26) sowie des Alexander Severus (Grab 174B) vergesellschaftet waren (Ertel u.a. 1999, 72 Taf. 25 Grab 26,8; Taf. 77 Grab 174B, 9–11). 36 James 2004, 79 Abb. 37,72.74. 37 Oldenstein 1976, 214 Abb. 7; Taf. 75,997. 38 Zu einer Verwendung am Pferdegeschirr vgl. Gschwind 2004, 161. 39 Oldenstein 1976, 215 Taf. 75,1000. 40 Ebd. 217. 41 Ebd. 42 Zur Datierung s. Gschwind 2004, 166–168. 43 Oldenstein 1976, 218. 44 Zu Bronzeschnallen mit festem, dreieckigem Beschlag vgl. Swoboda 1986, 91–103; Böhme 1986, 485–487. 45 Burg Sponeck: Swoboda 1986, 92 Abb. 1. – Münsterberg bei Breisach: Ebd. 92 Abb. 2,1. – Linz-Zizlau: Ruprechtsberger 1999, 122 (Grab 22) Abb. 94,1. – Burghöfe: Pröttel 2002, 110 f. Taf. 7,81. 46 J. Dombay, Spätrömische Friedhöfe im Komitat Baranya. A Janus Pannonius Múzeum Évkönyve 1957, Taf. 28,3 (Gürtelschnalle); 5 (Zwiebelknopffibel). – Zur Bestimmung der Fibel vgl. Pröttel 2002, 111. 47 Böhme 1986, 486 f. 48 Swoboda 1986, 96–98. 35 5 Jahrhunderts wahrscheinlich machen49. Da diese Schnallen in spätrömischen Kastellen gehäuft auftreten, ging er davon aus, dass sie als Bestandteil der Militärtracht getragen wurden50. Der polygonale silberne Dorn Nr. M5 dürfte ebenfalls zu einer Gürtelschnalle gehört haben, da vor allem spätrömische Schnallendorne des 4./5. Jahrhunderts häufig einen profilierten oder stark verzierten Kopf aufweisen, während der Dorn selbst polygonal erscheint51. Die verschiedenen Riemenbeschläge stellen eine variantenreiche Gruppe dar. Das Fragment eines durchbrochenen Beschlags (Nr. M6) mit Befestigungsstift mit Gegenknopf kann den im „keltischen Stil“52 verzierten Beschlägen zugeordnet werden, die wohl am Gürtel getragen wurden53. Die auch als Beschläge mit Trompetenornament bezeichneten Stücke wurden aufgrund des häufigen Vorkommens an den Kastellplätzen des obergermanisch-raetischen Limes in die Zeit von der Mitte des 2. bis in das frühe 3. Jahrhundert datiert54. Für den spitzovalen Beschlag mit zwei Befestigungsstiften mit Gegenknöpfen (Nr. M7) finden sich eindeutige Parallelen in den Kastellen Saalburg und Zugmantel. Aufgrund der damals bekannten Verbreitung erwog Oldenstein für diese Beschläge eine lokale Produktion, verwies jedoch auf ein möglicherweise durch den mangelhaften Forschungsstand verfälschtes Bild55. Mit dem Exemplar aus Pons Aeni und Beschlägen aus Vindolanda, der römischen Villa in Wange (Belgien), Köngen, Kaufering, Ács-Vaspuszta (Ungarn) und Siscia (Kroatien) lässt sich das Verbreitungsbild deutlich erweitern und eine lokalbeschränkte Produktion ausschließen56. Die beiden Beschläge aus Ács weisen darauf hin, dass derartige Stücke schon im 2. Jahrhundert verwendet wurden, da sie aus einer Brandschicht des zweiten Holz-Erde-Kastells, das wohl während den Markomannenkriegen in den siebziger Jahren des 2. Jahrhunderts zerstört wurde, stammen 57. Exemplare aus dem römischen Gutshof von Wurmlingen, die zwischen 220 und 240 in den Boden gekommen sein dürften58, zeigen, dass spitzovale Beschläge bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts in Gebrauch waren. Zwei Beschläge mit peltaförmigem Abschluss (Nr. M8–M9) könnten sowohl Pferdegeschirre als auch Gürtel geziert haben59. Ähnliche Beschläge stammen aus Weißenburg, Pfünz, 49 Pröttel 2002, 110 f. Ebd. 111. – Vgl. hierzu auch Böhme 1986, 485. 51 Vgl. hierzu die Abbildungen einiger kompletter Gürtelschnallen bei Sommer 1984, Taf. 1,10 (Silber); Taf. 2,6 (Bronze); Taf. 3,5 (Bronze). – Obwohl hier keine Querschnitte abgebildet sind, scheinen die Dorne massiv und größtenteils längsprofiliert oder polygonal im Querschnitt zu sein. Auch die häufig zu beobachtende besondere Ausbildung des Kopfes (Profilierung oder als Tierkopf) scheint der Nr. M5 deutlich näher zu stehen als Dorne einfacher Cingulumschnallen der mittleren Kaiserzeit. 52 Zur sog. keltischen Renaissance vgl. R. MacMullen, The Celtic Renaissance. Historia 14, 1965, 93–104. 53 Zu einer Gürtelgarnitur aus einer Bestattung in Faimingen gehört ein im keltischen Stil durchbrochener Beschlag (Oldenstein 1976, 134 Abb. 1d; M. Müller, Faimingen-Phoebiana. Die römischen Grabfunde. Limesforsch. 26 [Mainz 1999] 21 Taf. 51, Grab 292/1–5). 54 Oldenstein 1976, 206 f. 55 Ebd. 189. 56 Vindolanda: Bidwell 1985, 122 Abb. 41,26. – Wange: Lodewijckx u.a. 1993, 76–78 Abb. 7,4.10. – Köngen: Luik 1996, 205 Taf. 48,17.20. – Kaufering: BVbl. Beih. 16 (2004) 17 Abb. 13,9. – Ács: Gabler 1989, 178 Abb. 76,17–1–8. – Siscia: Radman-Livaja 2004, 118 Taf. 74,537. 57 Gabler 1989, 642. 58 Reuter 2003, 85. 59 Vgl. hierzu eine Gürtelgarnitur aus Viminacium (D. Spasić-Đurić , Viminacium – the capital of the Roman province of Upper Moesia [Pozarevac 2002] 74 Abb. 53). 50 6 Eining und Ellingen60. Ein nahezu identisches Stück zu Nr. M9 liegt aus dem Kastell von Buciumi vor, eine weitere Parallele stammt aus dem Legionslager von Potaissa/Turda (beide Rumänien)61. Oldenstein ging von einer Verwendung entsprechender Beschläge von der Mitte des 2. bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts aus62. Das Fragment eines peltaförmigen Beschlags (Nr. M10) kann aufgrund der Parallelen aus den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes in denselben Zeitraum datiert werden63. Zu dem massiv gegossenen Beschlag mit verdicktem Mittelteil und Querprofilierung (Nr. M11) finden sich die besten Vergleichsstücke in Eining64. Auch Nr. M12 ist vermutlich zu diesen Beschlägen zu zählen. Komplette Exemplare aus Siscia 65 lassen für die nur fragmentiert erhaltenen Stücke aus Pons Aeni einen rechteckigen oberen Abschluss vermuten. Drei Exemplare aus dem während der Markomannenkriege in den frühen siebziger Jahren des 2. Jahrhunderts zerstörten Vicus von Regensburg-Kumpfmühl legen eine Verwendung während des 3. Viertels des 2. Jahrhunderts nahe66. I. Radman-Livaja geht bei den Exemplaren aus Siscia davon aus, dass sie von der zweiten Hälfte des 2. bis ins 3. Jahrhundert als Gürtelbeschläge verwendet wurden67. Nr. M13–M15 zählen zu den emailverzierten Beschlägen. Auf der Rückseite von Nr. M13 befinden sich noch zwei Befestigungsstifte ohne Gegenknöpfe. Die Felder mit Emaileinlage auf der Vorderseite sind durch Bronzestege unterteilt und von profilierten Rändern eingefasst. Da das Exemplar sowohl typologische Parallelen zu den durchbrochenen länglichen, als auch zu den Beschlägen mit drei Ringösen an den halbrunden Schmalseiten aufweist, kann von einer Datierung von der zweiten Hälfte des 2. bis in das 3. Jahrhundert ausgegangen werden68. Nr. M14 dürfte der Form nach zu den rechteckigen Beschlägen mit eingezogenen Längsseiten gehören, die wohl vom 2. bis in das 4. Jahrhundert gleichermaßen in Verwendung waren69. Für Nr. M15 findet sich eine Parallele in der Weißenburg: Oldenstein 1976, 200 Taf. 66,862. – Pfünz: Ebd. Taf. 66,863. – Eining: Gschwind 2004, Taf. 47,C418. – Ellingen: Zanier 1992, 180 Taf. 17,B53.B54. – Ein weiteres Exemplar liegt aus den canabae legionis von Regensburg vor (freundl. Hinweis S. Reuter; unpubliziert; AO: Bayer. LfD, Außenstelle Regensburg; Grabung Kumpfmühler Str. 3/5, 2000; Inv. Nr. 2000, 26; Fd. Nr. 3031). 61 Buciumi: Chirilă u.a. 1972, 73 Taf. 71,27. – Potaissa: Bărbulescu 1994, 98 Abb. 16,14. 62 Oldenstein 1976, 184; 200. 63 Ebd. 178–185 Taf. 53–55. 64 Gschwind 2004, 157 Taf. 45,C365–367. 65 Radman-Livaja 2004, 94 Taf. 42,282.283; 43,284.285. 66 Th. Fischer, Ein Keller mit Brandschutt aus der Zeit der Markomannenkriege (170/175 n. Chr.) aus dem Lagerdorf des Kastells Regensburg-Kumpfmühl. Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 24/25, 1983/84, 24–63 bes. 27– 29 Abb. 4,6–7; Faber 1994, 150; 479–480 Abb. 148,11. – A. Faber geht davon aus, dass die Funde zur Periode 2 des Vicus gehörten, die sie mit dem Umbau in Stein unter Antoninus Pius beginnen lässt, während die Markomannenkriege in den frühen siebziger Jahren wohl das Ende des Kastells und Vicus bedeuteten (ebd. 31 f.; 89–94). 67 Radman-Livaja 2004, 94. 68 Oldenstein 1976, 193–197; Gschwind 2004, 163. 69 Gschwind 2004, 156 f. – Zwei unpublizierte Beschläge mit eingezogenen Längsseiten und Emaildekor aus dem Vicus von Dambach (unpubl.; AO: Arch. Staatsslg. München, Inv. Nr. 1996, 2052) sind die besten Parallelen zu dem Stück aus Pons Aeni. 60 7 römischen villa rustica von Wange. M. Lodewijckx schlug eine Datierung in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts vor70. Der quadratische, durchbrochen gearbeitete Beschlag Nr. M18 kann aufgrund eines Grabfundes aus Regensburg71 einem Ring- oder Rahmenschnallencingulum zugewiesen werden72. Derartige Beschläge waren weit verbreitet und sind aus den obergermanisch-raetischen Provinzen bis nach Marokko bekannt73. Die Zugehörigkeit zu Ring- und Rahmenschnallencingula ermöglicht gleichermaßen die Datierung dieser Beschläge vom frühen 3. bis ins späte 3./frühe 4. Jahrhundert74. Bildliche Darstellungen auf Soldatengrabsteinen75 oder den iranischen Felsreliefs von Naqsh-i Rustam76 und Bishapur77 bestätigen, dass dieser Cingulumtyp ein fester Bestandteil der römischen Militärtracht des 3. Jahrhunderts war78. Möglicherweise ist auch ein spitzovaler längsprofilierter Beschlag (Nr. M19) mit dieser Gürtelform in Verbindung zu bringen. So liegen aus Gräbern in Budapest und Silistra zwei kahnförmige Silberbeschläge vor, die zwar länger, in der Form dem hier vorgestellten Stück jedoch sehr ähnlich sind79. Zwei nahezu identische Stücke zu dem Beschlag aus Pons Aeni stammen aus Dura-Europos80. Die Datierung der Vergleichsstücke legt eine zeitliche Einordnung der Nr. M19 in das 3. Jahrhundert nahe81. Gleichzeitig mit den Ring- und Rahmenschnallencingula wurden auch Gürtelgarnituren mit runden Gürtelbeschlägen mit und ohne Öse getragen82. Ob man jedoch zwei stark fragmentierte, durchbrochen gearbeitete Scheiben (Nr. M20–M21) diesen Beschlägen zuweisen kann, lässt sich aufgrund des Erhaltungszustandes nicht mehr sagen. Lodewijckx u.a. 1993, 75 (4.4.) Abb. 5,4.4; zur Datierung und den Besitzverhältnissen ebd. bes. 98. – Vgl. zu dem Ensemble aus Wange auch: M. Lodewijckx/L. Wouters/E. Scheurman, A third century collection of decorative objects from a Roman villa at Wange (Central Belgium): second interdisciplinary report. JRMES 7, 1996, 1–20. 71 Vgl. v. Schnurbein 1977, 87 f. Taf. 82 (Grab 664). 72 Vgl. hierzu besonders ebd. 87–91; Fischer 1988, 167–190. 73 Vgl. hierzu Exemplare aus: Eining: Gschwind 2004, 166 Taf. 51,C486. – Osterburken: Oldenstein 1976, 223 Taf. 82,1087. – Pfünz: Ebd. Taf. 82,1089. – Buch: Ebd. Taf. 82,1088. – Großprüfening: Fischer 1990, 188 Taf. 66,5 (mit Rahmenschnalle vergesellschaftet). – Volubilis: Boube-Piccot 1994, 80 Taf. 68,98. – Cumidava: N. Gudea/I.I. Pop, Das Römerlager von Rîsnov/Rosenau Cumidava. Beiträge zu den Limesuntersuchungen im Südosten des römischen Dazien (Brasov 1971) 59 Taf. 57a,7. 74 Zur Datierung der Ring- und Rahmenschnallencingula zuletzt Gschwind 2004, 166–168. 75 Zu Grabsteinen mit der Darstellung römischer Soldaten mit Ringschnallencingulum: J.Ch. Balty/W. van Rengen, Apamea in Syria. The Winter quarters of Legio II Parthica. Roman gravestones from the military cemetery (Bruxelles 1992) 13–15; 26–45 Taf. 5,7.11–12. 76 G. Herrmann, The Sasanian Rock Reliefs at Naqsh-i Rustam. Iranische Denkmäler II I (Berlin 1989) 14 f.; 25 f. Abb. 4.6. 77 Ders., The Sasanian Rock Reliefs at Bishapur 3. Iranische Denkmäler II G (Berlin 1983) 14 f. Abb. 1.2; Taf. 10–13. 78 Gschwind 2004, 168. – Gegen die Annahme einer ausschließlich von Soldaten getragenen Gürtelform zuletzt v. Schnurbein 1995, 139–148 bes. 148. 79 Fischer 1988, 177 Abb. 4,5; 178 f. Abb. 6,5. – Vgl. zu dem Grabfund aus Budapest auch die Bildaufnahmen der Originale in: I. Kovrig, Pannonia (Budapest 1942) 28 Abb. 29. 80 James 2004, 94 Abb. 43,296–297. 81 Zur Datierung des Beschlags aus dem Grab von Budapest: Fischer 1988, 177. – S. James weist die meisten Funde aus Dura-Europos erst der Zeit kurz vor bzw. der Zerstörung der Anlage um die Mitte des 3. Jahrhunderts zu (vgl. James 2004, 30). 82 Vgl. hierzu Gschwind 2004, 162 f.; Th. Fischer, Ein römischer Hortfund aus Affecking. In: W. Czysz u.a. (Hrsg.), Provinzialrömische Forschungen. Festschrift G. Ulbert (Espelkamp 1995) 339–347 bes. 340–342; Reuter 2005, 204 f. 70 8 Für das Gürtelschnallenbeschlagblech Nr. M22 ist eine Datierung in das 4./5. Jahrhundert anzunehmen. Das dünne Bronzeblech weist einen gekerbten Rand, Aussparungen und Befestigungslaschen für den Dorn sowie drei Nieten zur Befestigung am Leder auf. Vergleichbare Beschlagbleche liegen unter anderem aus einem Grab in Dorchester-on-Thames, ferner aus Bregenz, Oudenburg und einer Bestattung in Kaiseraugst vor83. Durch eine beigegebene Münze ergibt sich für Grab 975 aus Kaiseraugst ein terminus post quem von 335/34184. H. Bullinger setzte vergleichbare Beschläge mit dreiteiligen Schnallen in Beziehung und führte als Parallele eine Gürtelschnalle mit Beschlag aus Pécs, Grab XI, an85. Der Bestattung waren mehrere Münzprägungen bis Constantius II. beigegeben86. Dementsprechend ist für die dünnen Gürtelbeschlagbleche generell ein Gebrauch ab dem mittleren Drittel des 4. bis möglicherweise in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts anzunehmen87. Riemenendbeschläge aus dünnem Bronzeblech mit ovalen oder lanzettförmigen Anhängern wie Nr. M27 und M28 sind ausgesprochen häufig im Fundmaterial vertreten88. Auch ein ursprünglich mehrgliedriger Beschlag (Nr. M2989) und die Fragmente zweier Anhänger mit D-förmiger Öse (Nr. M30–M31) sind zu diesen Exemplaren zu zählen. Die weite Verbreitung spiegeln Funde aus den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes und Eining sowie Richborough, Pác (Slowakei), Siscia (Kroatien), Romula, Buciumi, Sarmizegetusa (alle Rumänien) oder Dura-Europos wider90. Die ältesten Exemplare können wohl in das frühe 2. Jahrhundert91 datiert werden. Aufgrund des häufigen Vorkommens in den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes ist es wahrscheinlich, dass Dorchester: Böhme 1986, 496 Abb. 20,1 (vgl. hierzu auch: Sommer 1984, 30 Taf. 72,5). – Bregenz: Konrad 1997, 46 f. Abb. 8,10.11. – Oudenburg: J. Mertens/L. van Impe, Het Laat-Romeins Grafveld van Oudenburg. Arch. Belg. 135 (Brüssel 1971) Taf. 86,1–4.7.10.13. – Kaiseraugst: Martin 1976, 37 f. Taf. 58 Grab 975,1; Taf. 75 Grab 1309,2. 84 Martin 1976, 156 (Tabelle, Grab 975). 85 Bullinger 1969, 25 mit Anm. 7. 86 G. Török, Le trovate romane rinvenute in occasione dell’ ampliamento della chiesa di Pécs Belváros. Fol. Arch. 3–5, 1941–1945, 125–137 bes. 135. 87 Martin 1976, 38; Konrad 1997, 47 f. – Böhme führt die Bestattung mit den Gürtelbestandteilen als Zeugnisse militärischer Präsenz in Dorchester in der ersten Hälfte und der Mitte des 5. Jahrhunderts auf (Böhme 1986, 564 [Liste 2,9]). 88 Ein solcher Riemenendbeschlag mit Anhänger liegt auch aus einer Pferdebestattung nahe der römischen Villa von Baláca (Ungarn) vor, so dass eine Verwendung am Pferdegeschirr ebenfalls möglich ist (vgl. S. Palágy, Ein neuer Pferdegeschirrfund aus Pannonien und Möglichkeiten seiner Rekonstruktion. In: Ancient Bronzes 1995, 401–408 bes. 405 Abb. 3,4). 89 Vgl. hierzu einen Beschlag aus dem Lager Eining-Unterfeld, welches nur in den 70er Jahren des 2. Jahrhunderts besetzt war (Jütting 1995, 168 Abb. 11,123). 90 Obergermanisch-raetischer Limes: Oldenstein 1976, 142–147 Taf. 36,290–304. – Eining: Gschwind 2004, 163 Taf. 49,451–457. – Richborough: B. Cunliffe, Fifth Report on the Excavations of the Roman Fort at Richborough, Kent. Rep. Res. Comm. Soc. Ant. London 23 (London 1968) Taf. 37,120. – Pác: Krekovič 1994, 217 f. Abb. 6,1.2. – Romula: L. Petculescu, Military equipment graves in Roman Dacia. JRMES 6, 1995, 124 Taf. 1,3–4; 128 Taf. 2,2. – Buciumi: Chirilă u.a. 1972, 72 Taf. 71,1–3.9–11.18–20. – Sarmizegetusa: Alicu/Cocis 1994, 49 Taf. 33,684–686. – Siscia: Radman-Livaja 2004, 96 Taf. 46,313–316; 47,317–328; 48,329–339; 49,340–343. – Dura-Europos: James 2004, 85 Abb. 40,152–158. 91 Oldenstein 1976, 144. – Vgl. hierzu lanzettförmige Anhänger aus Brandbestattungen in Carnuntum, die mit Münzen des Hadrian bis Antoninus Pius vergesellschaftet waren: Ertel u.a. 1999, 72 f. Taf. 24 Grab 23,5; Taf. 25 Grab 26,9–10. 83 9 derartige Beschläge bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts verwendet wurden. Das Stück aus Pác92 und ein silbernes Exemplar aus einem Frauengrab in Dorweiler93 deuten sogar eine vereinzelte Verwendung der Form bis in das späte 3. und die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts an. Ein durchbrochener Riemenendbeschlag mit Scharnierkonstruktion und durchbrochenem ovalem Anhänger mit Endknopf (Nr. M32) weist in der Form starke Ähnlichkeiten zu den oben behandelten Stücken und einem Anhänger aus dem Kastell Osterburken auf, der nicht vor die Mitte des 2. Jahrhunderts datiert werden kann94. Der durchbrochen gearbeitete Riemenendbeschlag Nr. M33 liegt in vergleichbarer Art aus Eining, Pocking, Pfünz, Weißenburg und vom Feldberg vor95. Einen guten Anhaltspunkt für die Datierung liefert das Exemplar aus einem Keller in Pocking, dessen Zerstörung aufgrund zweier prägefrischer Münzen des Maximinus Thrax und des Gordianus III um bzw. nach 241/242 stattgefunden haben muss96. Die Gesamtmünzreihe deutet an, dass die Siedlung erst um 260 aufgegeben wurde97. Ein durchbrochen gearbeitetes, herzförmiges Silberblech (Nr. M34) war vermutlich als Anhänger an einem Riemenendbeschlag angebracht. Die ungleichmäßige Ausarbeitung der Durchbruchsverzierung weist auf ein Halbfabrikat oder eine handwerklich minderwertige Arbeit hin. Da der obere Abschluss fehlt, kann über die Art der Anbringung – mittels Scharnier am Riemenendbeschlag oder direkt am Leder – keine Aussage getroffen werden. Möglicherweise wurde er auch am Pferdegeschirr befestigt (vgl. Nr. P39–P40). In den Kastellen des obergermanischraetischen Limes sind herzförmige durchbrochene Anhänger im Fundmaterial der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts häufig vertreten. Oldenstein schloss jedoch nicht aus, dass sie auch in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts schon verwendet wurden98. Entsprechende Stücke sind noch in Fundkomplexen des 3. Jahrhunderts zu finden99. Längliche Scharnierbeschläge mit gestreckten trapezförmigen Anhängern (Nr. M36–M38) sind in Verbindung mit Ring- und Rahmenschnallencingula belegt. Das Grabinventar aus Sackrau enthielt eine vermutlich vollständige Garnitur eines Rahmenschnallencingulums, zu der u.a. auch ein Scharnierbeschlag zählte100. Mit Nr. M36 und M37 liegen zwei massive Anhänger von Scharnierbeschlägen mit Querprofilierung unterhalb der Befestigungsöse vor, zu denen sich Parallelen u.a. in Eining, Carnuntum oder Dura-Europos finden101. Krekovič 1994, 217. – Allerdings schließt T. Kolnik, eine Datierung der Gebäudestrukturen und der Funde bereits in tetrarchische Zeit nicht aus (vgl. T. Kolnik, Cífer-Pác. Eine jungkaiserzeitliche Station. In: III. Internationaler Kongress für slawische Archäologie [Nitra 1975] 3–30 bes. 12). 93 W. Haberey, Ein spätrömisches Frauengrab aus Dorweiler, Kr. Euskirchen. Bonner Jahrb. 149, 1949, 86 Abb. 7,12. 94 Oldenstein 1976, 151 Taf. 38,344. 95 Eining: Gschwind 2004, 162 Taf. 48,C423. – Pocking: Oldenstein 1976, 187 f. Taf. 41,398. – Pfünz: Ebd. Taf. 41,399. – Weißenburg: Ebd. Taf. 41,400. – Feldberg: Ebd. Taf. 41,401. 96 Kellner 1960, 142. 97 Wandling/Ziegaus 1993, 127 f.; 138–142. 98 Oldenstein 1976, 128. 99 Ebd. 128 f. 100 Fischer 1988, 177 f. Abb. 5,9. – Erstmals publiziert bei: W. Grempler, Der II. und III. Fund von Sackrau (Berlin 1888), Taf. 6–7. 101 Eining: Gschwind 2004, 337 Taf. 51,C504. – Carnuntum: Fischer 1988, 186 Abb. 10,13.15. – Dura-Europos: James 2004, 84 f. Abb. 39,137–138.141–145. 92 10 Der mehrfach durchbrochene Anhänger Nr. M38 ist in vergleichbarer Form aus Regensburg102 und Eining103 bekannt. Aufgrund der Zugehörigkeit zum Ring- und Rahmenschnallencingulum kann auch für die Scharnierbeschläge mit Anhängern eine Verwendung während des gesamten 3. Jahrhunderts angenommen werden104. Riemenzungen sind im Fundmaterial von Pons Aeni mit vier Exemplaren vertreten. Nr. M39–M41 gehören zur Gruppe der keulenförmigen Riemenzungen. Stücke, die ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen sind, wurden u.a. in Zugmantel, Unterschwaningen, Eining, Sarmizegetusa und der Soldatenbestattung in Lyon gefunden105. Das Grab wird aufgrund eines terminus post quem von 194 n. Chr. durch die beigegebenen Münzen mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Clodius Albinus und Septimius Severus in Zusammenhang gebracht106. Keulenförmige Riemenzungen finden sich allerdings schon in dem frühkaiserzeitlichen Kastell Hod Hill107 und der Siedlung auf dem Magdalensberg108, was die lange Verwendung dieser Gruppe unterstreicht. Die frühkaiserzeitlichen Exemplare weisen jedoch eine Profilierung zwischen Riemenzwinge und dem in einem profilierten Abschluss endenden Mittelstück auf109. Bei den jüngeren Stücken lässt sich hingegen ein fließender Übergang zwischen Riemenzwinge und Mittelstück feststellen110. Das Exemplar aus Unterschwaningen dürfte mit der Aufgabe des Platzes um die Mitte des 2. Jahrhunderts in den Boden gekommen sein111, während die Riemenzunge aus Lyon eine Verwendung bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts bestätigt. Eine Parallele aus Niederbieber könnte sogar noch während der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts getragen worden sein112. Die Riemenzunge Nr. M42 zeichnet sich durch einen annähernd rautenförmigen Körper aus, der an beiden Enden von ovalen bis runden Scheiben begrenzt wird. Den oberen Abschluss bildet eine trapezförmige Zwinge mit Kerbverzierung. Obwohl mir kein vergleichbares Stück bekannt ist, kann die Riemenzunge möglicherweise demselben Horizont wie die lanzettförmigen Anhänger zugeordnet werden, da die Stücke gewisse Analogien in der Form aufweisen. Zusammenfassung Die aus den Trachtbestandteilen gewonnenen Datierungsansätze deuten einen chronologischen Schwerpunkt des Materials in der zweiten Hälfte des 2. und im 3. Jahrhundert an. So lässt sich das 102 Th. Fischer/S. Rieckhoff-Pauli, Bavaria Antiqua. Von den Römern zu den Bajuwaren. Stadtarchäologie in Regensburg (München 1982) 33 Abb. 9,7; Reuter 2005, 205 Abb. 14,A16. 103 Fischer 1988, 186 Abb. 10,2. 104 s. Anm. 74; Fischer 1988, 180; 189 f. 105 Zugmantel: Oldenstein 1976, 144–147 Taf. 36,311.312. – Unterschwaningen: Ebd. Taf. 36,313. – Eining: Gschwind 2004, 163 Taf. 49,C446-450. – Sarmizegetusa: Alicu/Cocis 1994, 49 Taf. 33,688. – Lyon: Wuilleumier 1950, 146–148. 106 Wuilleumier 1950, 147. 107 Brailsford 1962, 4 Abb. 5,A131. 108 M. Deimel, Die Bronzekleinfunde vom Magdalensberg. Arch. Forsch. zu den Grabungen auf dem Magdalensberg 9. Kärntner Museumsschr. 71 (Klagenfurt 1987) 77 Taf. 57. 109 Oldenstein 1976, 146. 110 Ebd. 111 Ebd. 112 Ebd. Taf. 36,307. 11 vorhandene Formenspektrum aus Pons Aeni bestens mit dem Fundmaterial aus den Kastellen der vorderen Limeslinie oder Dura-Europos vergleichen. Da allerdings Gürtel als funktionaler Bestandteil der Kleidung sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich Verwendung fanden113, lassen sich im Falle der Funde aus Pons Aeni nur bedingt Rückschlüsse auf die Träger ziehen. 2. Verteidigungswaffen (Abb. 12, Nr. M43–M57; Abb. 13, Nr. M58–M61) Neben den hauptsächlich mittelkaiserzeitlichen Gürtelbestandteilen überrascht vor allem die Anzahl an Verteidigungswaffen, die ausnahmslos der mittleren Kaiserzeit zugeordnet werden können. Der hohle Helmbuschhalter Nr. M43 besteht aus einer halbkugeligen Kopfplatte mit wellenbandartiger Verzierung und einem konvexen Körper mit Zierrillen114. Entsprechende Parallelen sind von Helmen des Typs Niederbieber Variante III bekannt, wie sie u.a. aus Heddernheim und Bodegraven vorliegen115. Aus den Grabungen in Pons Aeni stammen zudem zwei anpassende Helmbügelfragmente (Nr. M44–M45), die wohl einem Helm Typ Niederbieber Variante I zugewiesen werden können116. Der Bügel war mit einfachen Drahtstiften am Helm angebracht117. Das Fragment stammt aus dem Bauschutt der als spätrömisch angesprochenen Tuffsteinmauer des horreum in Schicht IX, Schnitt B118. Kegelförmige Nieten wie Nr. M46–M56 stammen ebenfalls von Helmen des Typs Niederbieber. Hierzu kann wohl auch ein ebenfalls kegelförmiger Zierknopf mit mehreren Drehrillen (Nr. M57) gezählt werden. Sie dienten zur Befestigung des Helmbügels an der Kalotte und liegen u.a. auch aus den Kastellen Eining, Eining-Unterfeld, Zugmantel und Cramond (Schottland) vor119. Bei Helmbügelfragmenten aus Bedaium/Seebruck120 und dem Kastell Pfünz121 befanden sich diese Nieten noch in situ. Anhand der Exemplare aus Pons Aeni lassen sich zwei Typen unterscheiden: Typ 1 fällt durch eine einfach profilierte Form auf, bei der auf einer deutlich abgesetzten Grundplatte der pinienzapfen- oder kegelförmige Kopf sitzt (Nr. M46–M49)122. Typ 2 besteht hingegen aus einem 113 Zur zivilen und militärischen Verwendung äußerten sich: v. Schnurbein 1995, 139–148; Gschwind 2004, 164. Ähnliche Stücke mit charakteristischem Kopf mit leichter Profilierung oder Wellenbanddekor (und scheinbar zentraler Lochung) und konvexer oder zylindrischer Halsung stellte Ch. Boube-Piccot zusammen, spricht sie jedoch als Schwertknäufe(?) an (vgl. Boube-Piccot 1994, 20 f. Taf. 27,244–255; Taf. 28,256–259). 115 Allg. zu römischen Helmen: G. Waurick, Die römischen Militärhelme von der Zeit der Republik bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. (Diss. Mainz 1976); Robinson 1975. – Zu Helmen des Typs Niederbieber: Waurick 1988, 338–341; Egg/Waurick 1990, 39 f.; Junkelmann 2000, 85–87. – Speziell zur Variante III und den Helmen aus Heddernheim und Bodegraven: K. Woelcke, Der neue römische Paradehelm aus Heddernheim. Germania 14, 1930,149–153; W.C. Braat, Romeinsche Helmen in het Rijksmuseum van Oudheden. Oudheidk. Mededel. Rijksmus. Leiden N.R XX, 1939, 29–46 bes. 29–32. 116 Waurick 1988, 338 Abb. 6. – Vgl. hierzu auch die Helmbügelfragmente aus dem Lager Eining-Unterfeld: Jütting 1995, 164 Abb. 8,49–51. 117 Waurick geht allgemein von einer Befestigung mit Ziernieten aus (Waurick 1988, 338). 118 Christlein/Kellner 1969, 84 (Schnitt B, Schicht IX); 98 (Beschreibung zu Abb. 3,11). 119 Eining: Gschwind 2004, 124 Taf. 29,C102–105. – Eining-Unterfeld: Jütting 1995, 164 Abb. 8,54–64. – Zugmantel: ORL B Nr. 8 (Zugmantel) 63 Taf. 12,22.23. – Cramond: N. Holmes, Excavation of Roman sites at Cramond, Edinburgh. Soc. Ant. Scot. Monogr. 23 (Edinburgh 2003), 104 f. Abb. 85,13-16. 120 Burmeister 1998, 105 Taf. 30,133. 121 ORL B Nr. 73 (Pfünz) 23 Taf. 15,19. 122 Vgl. die Exemplare aus Eining-Unterfeld (Jütting 1995, 196 Abb. 8,54–64) und Eining (Gschwind 2004, 124 Taf. 29,C102–C105). 114 12 kegelförmigen Körper mit meist einer, selten mehreren Zierrillen (Nr. M51–M57)123. Während Bügel des älteren Helmtyps Weisenau mit mehrfach profilierten Helmnieten befestigt waren124, lassen sich bei Helmen des Typs Niederbieber nur noch die hier vorgestellten Ziernieten feststellen. Dies scheint auf eine Entwicklung von mehrfach profilierten zu einfachen, kegelförmigen Helmnieten hinzuweisen. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts lösten Helme vom Typ Niederbieber den älteren Typ Weisenau ab125. Ein bronzener Kalottenbügel aus dem antoninischen Kastell Newstead stellt den frühesten Fund dar126. Entsprechende Helmbestandteile aus den Kastellen des obergermanischraetischen Limes127 oder auch aus Dura-Europos128 deuten eine Nutzung des Typs Niederbieber bis wenigstens um die Mitte des 3. Jahrhunderts an129. Aus den Grabungen in Pons Aeni stammen außerdem zwei zusammenkorrodierte Bronzeschuppen (Nr. M58) einer lorica squamata. Die Art der Befestigung der Schuppen ermöglicht eine zeitliche Differenzierung der von der frühen bis in die späte Kaiserzeit getragenen loricae squamatae. Die hier vorliegenden Exemplare wurden mit den jeweils benachbarten Schuppen auf allen Seiten verbunden130. Anhand der ältesten Exemplare dieses Typs vom Burgstall in Mušov und aus Corbridge gehen M. C. Bishop und J. C. N. Coulston davon aus, dass entsprechende Schuppenpanzer mit langen schmalen Schuppen erst ab antoninischer Zeit getragen wurden131. Zwei Panzerknebel (Nr. M59–M60) dienten zum Verschluss von Brustplatten bei Schuppenpanzern (loricae squamatae) oder Schienenpanzern vom Typ Newstead (loricae segmentatae)132. Der Fund eines vollständigen verzierten Brustplattenensembles aus Manching verdeutlicht die Verwendungsweise entsprechender Knebel133. Die Exemplare aus Pons Aeni sind dem aus dem Lager Eining-Unterfeld bekannten Typ 5 nach I. Jütting mit einer viereckigen Platte mit Lochung, Stift und verbreitertem Gegenpol zuzuordnen134. Loricae segmentatae vom Typ Newstead lösten in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts Schienenpanzer vom Typ Corbridge ab und sind im archäologischen 123 Vgl. hierzu die Helmniete mit Helmbügel aus Seebruck (Burmeister 1998, 105 Taf. 30,133), deren Form schon eher dem Typ 2 zuzuweisen ist und ein Exemplar aus Eining (Gschwind 2004, 124 Taf. 29,C101), welches ebenfalls nicht mehr Typ 1 zugeordnet werden kann, sowie ein Helm Typ Niederbieber aus der Sammlung A. Guttmann mit den Helmnieten in situ (Junkelmann 2000, 146 Taf. 18,AG 543). 124 Vgl. die Helme aus Niedermörmter mit mehrfach profilierten Ziernieten (Waurick 1988, 336 Abb. 5,4; Robinson 1975, 72 f. Abb. 179–182) und Mainz-Weisenau mit kräftig profilierten Ziernieten mit langgezogener stumpfer Spitze (Robinson 1975, 68 f. Abb. 166–169). 125 Egg/Waurick 1990, 37. – Auch aus dem in den 70er Jahren des 2. Jahrhunderts kurzfristig besetzten Lager Eining-Unterfeld liegen beispielsweise nur Helmfragmente des Typs Niederbieber vor, so dass mit einem Wechsel vor dem letzten Viertel des 2. Jahrhunderts gerechnet werden kann (vgl. Jütting 1995, 164). 126 J. Curle, A Roman frontier post and its people. The fort of Newstead in the Parish of Melrose (Glasgow 1911) 165 Taf. 35,8. 127 Waurick 1988, 341. 128 James 2004, 107 Abb. 49,373–376. 129 Eine Nutzung bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts darf durch die Helmfragmente aus den Zerstörungshorizonten von Pfünz und Heddernheim angenommen werden (vgl. Waurick 1988, 341). 130 Vgl. hierzu auch die Exemplare des Typs 1 nach Jütting aus dem Lager Eining-Unterfeld (Jütting 1995, 167 f. Abb. 4 [Typ 1]). 131 Bishop/Coulston 2006, 139 f. 132 Bishop 2002, 56 f.; Garbsch 1978, 8. 133 Garbsch 1978, 53 f. Taf. 8,1.2. 134 Jütting 1995, 166. 13 Fundmaterial bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts nachweisbar135. Verzierte Brustplatten von loricae squamatae treten schon in Fundkomplexen des späten 1. Jahrhunderts n. Chr. auf und waren wie die Schienenpanzer bis ins 3. Jahrhundert in Gebrauch136. Die angesprochenen Exemplare aus Manching kamen vermutlich erst mit den Alamanneneinfällen 233 n. Chr. in den Boden137. Panzerknebel und Brustplatten dieser Art aus Dura-Europos bestätigen eine Verwendung bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts138. Drei Fragmente eines Schildbuckels aus Eisen (Nr. M61) stellen die einzigen Bestandteile eines scutum im Fundmaterial von Pons Aeni dar. Die Form lässt sich wohl zu einem einfachen kalottenförmigen Schildbuckel rekonstruieren. Zwei runde Löcher in dem flachen Rand dienten der Befestigung auf dem Schild. Runde Schildbuckel aus Eisen sind in militärischen Anlagen keine Seltenheit139. Sie wurden bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. verwendet und treten noch in Fundzusammenhängen des 3. Jahrhunderts n. Chr. auf140. 3. Angriffswaffen (Abb. 13, Nr. M62–M73; Abb. 14, Nr. M74–M83) Zwei bronzene Ortbänder (Nr. M62–M63) und ein Exemplar aus Bein (Nr. M64) zählen zu den Schwertbestandteilen. Alle drei Exemplare gehören zur Gruppe der runden bis halbovalen Ortbänder mit peltaförmigen Durchbrechungen (mit Mittelrippe, Nr. M63–M64; zwei Knubben, Nr. M62), die sich in der Form schon den jüngeren Dosenortbändern annähern141. Parallelen aus Eining, den Kastellen der vorderen Limeslinie, Augst, Buciumi, Dura-Europos, Volubilis oder Banasa 142 unterstreichen die reichsweite Verbreitung. Während Oldenstein diesen Ortbandtyp vom späten 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts datierte143, ging M. Gschwind von einer Verwendung erst im 3. Jahrhundert aus144. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurden halbrunde und ovale Ortbänder dann von Dosenortbändern abgelöst. Funde aus dem Straßenkampfhorizont in Augst 135 Bishop 2002, 49. Garbsch 1978, 8. – Entsprechende Brustplatten mit einander zugewandten Büsten des Mars und der Minerva wie das Exemplar aus Manching treten wohl erst ab dem ausgehenden 2. Jahrhundert im Fundmaterial auf (vgl. Robinson 1975, 161). – Zu einer generellen Datierung der Brustplatten erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zuletzt J. Tejral, Römische und germanische Militärausrüstungen der antoninischen Periode im Licht norddanubischer Funde. In: C. v. Carnap-Bornheim (Hrsg.), Beiträge zu römischer und barbarischer Bewaffnung in den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten. Akten des 2. Intern. Kolloquiums in Marburg a.d. Lahn (Lublin/Marburg 1994) 27–60 bes. 36 f. – Vgl. auch Bishop/Coulston 2006, 139. 137 Garbsch 1978, 53. – Vgl. auch: H. Klumbach, Römische Panzerbeschläge aus Manching, Landkreis Ingolstadt. In: J. Werner (Hrsg.), Aus Bayerns Frühzeit. Festschrift F. Wagner (München 1962) 187–193 bes. 188. 138 James 2004, 120–122 Abb. 62,420–431; Bishop/Coulston 2006, 170–173. 139 Funde eiserner Schildbuckel am obergermanisch-raetischen Limes zusammengefasst bei: D. Baatz, Die Grabungen im Kastell Echzell 1962. Saalburg-Jahrb. 21, 1963/64, 32–58 bes. 49. – Vgl. hierzu auch Gschwind 2004, 132 mit Anm. 484. 140 Gschwind 2004, 132. 141 Martin-Kilcher 1985, 184. 142 Eining: Gschwind 2004, 142 Taf. 39,C246–251. – Obergermanisch-raetischer Limes: Oldenstein 1976, 113 f. Taf. 19,117–121; Taf. 20,122–128. – Augst: Martin-Kilcher 1985, 184. – Buciumi: Chirilă u.a. 1972, Taf. 115,22. – Dura-Europos: James 2004, 153 f. Abb. 90,553–564. – Volubilis: Boube-Piccot 1994, 20 f. Taf. 36,325–326.328. – Banasa: Ebd. Taf. 36,327.329. 143 Oldenstein 1976, 122 f. 144 Gschwind 2004, 149. 136 14 (terminus post quem 273 n. Chr.145) belegen, dass halbrunde Ortbänder sogar noch bis in das letzte Drittel des 3. Jahrhunderts verwendet wurden146. Zur Aufhängung der spatha am balteus dienten zwei eiserne Schwertriemenhalter147. Sie wurden auf die Scheide geschoben und umwickelt (Nr. M65) bzw. mittels Nietstiften (Nr. M66) befestigt148. Nr. M66 lässt sich dem Typ IIIB 2 nach C. v. CarnapBornheim mit trapezoider Brücke, eingerolltem oberen Abschluss und kurzem, geraden Fuß149 zuweisen. Ein bronzener (?) Schwertriemenhalter aus der wohl um 140 n. Chr. niedergebrannten fabrica der legio I Minerva am Bonner Berg150 gehört zu den ältesten datierbaren Exemplaren. Ein vermehrtes Vorkommen kann jedoch erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts nachgewiesen werden151. Eiserne Schwertriemenhalter der hier vorliegenden Form finden sich noch in dem Straßenkampfhorizont in Augst152. Teile des Wehrgehänges sind in Pons Aeni durch sechs Balteusschließen (Nr. M67–M72) vertreten. Die durchbrochen gearbeitete Balteusschließe mit Swastika (Nr. M67) weist auf der Rückseite noch die Ansätze der charakteristischen D-förmigen Öse auf. Zwei nahezu identische Stücke liegen aus Ovilava/Wels153 und der römischen Straßenstation Immurium/Moosham vor154. Auch das Fragment einer Swastika (Nr. M68) war vermutlich einst Bestandteil einer solchen Balteusschließe. Darauf lassen zumindest Spuren einer Befestigung an dem zentralen Kreuzungspunkt der Arme schließen. Von drei weiteren Schließen sind nur noch die typischen D-förmigen Ösen und Ansätze der Zierplatten erhalten. Nr. M69 und M70 sind wahrscheinlich zu peltaförmigen Balteusschließen zu rekonstruieren. Vollständig erhaltene Stücke sind u.a. aus Lauriacum bekannt155. Eine D-förmige Öse mit Nietstift mit Gegenknopf (Nr. M71) kann ebenfalls dem balteus zugeordnet werden. Nr. M72 ist zu den Balteusschließen in Form einer sog. Benefiziarierlanze zu zählen. Schließen dieser Art wurden u.a. in Eining, Augsburg, Manching, Regensburg, Ruffenhofen, Dambach, Buch, Pfünz, Osterburken oder Vimose gefunden156. K. Spindler ging aufgrund des Verbreitungsbildes von einer für die Provinz 145 Martin-Kilcher 1985, 191. Gschwind 2004, 150. 147 Zu den eisernen Schwertriemenhaltern: Hundt 1959/60, 52–66; Oldenstein 1976, 102–104; Gschwind 2004, 141. – Zur Typologie der Schwertriemenhalter vgl. v. Carnap-Bornheim 1991. 148 In dem Moorfund von Vimose haben sich die Reste einer Scheide mit aufgenageltem Schwertriemenhalter erhalten (vgl. Hundt 1959/60, 65 Abb. 7,1.2). 149 v. Carnap-Bornheim 1991, 30–33 bes. 32. 150 C. van Driel/M. Gechter, Funde aus der fabrica der legio I Minerva am Bonner Berg. Rheinische Ausgrabungen 23. Beitr. Arch. Röm. Rheinland 4, 1984, 1–83 bes. 4. 151 Oldenstein 1976, 107. 152 Martin-Kilcher 1985, 176; 184 Abb. 21,2.3; 27,1. – Noch etwas später dürften zwei eiserne Schwertriemenhalter aus der nach 276 n. Chr. errichteten Befestigung von Augst-Kastelen verloren gegangen sein (vgl. P.-A. Schwarz, Kastelen 4. Die Nordmauer und die Überreste der Innenbebauung der spätrömischen Befestigung auf Kastelen. Die Ergebnisse der Grabung 1991–1993.51 im Areal der Insulae 1 und 2 von Augusta Raurica. Forsch. Augst 24 [Augst 2002] 232 Abb. 117,11–12). 153 S. Zahbelicky-Scheffenegger, Römerzeit. In: K. Holter/W. Riess/S. Zabehlicky-Scheffenegger, Stadtmuseum Wels Katalog. Vorgeschichte Römerzeit Frühgeschichte. Jahrb. Musealverein Wels 22, 1979/80, 109 (Nr. R464). 154 R. Fleischer/V. Moucka-Weitzel, Die römische Straßenstation Immurium-Moosham im Salzburger Lungau. Arch. Salzburg 4 (Salzburg 1998) 161 Taf. 89,8. 155 Katalog Lauriacum 1997, 80 Nr. I/G-11 a-c. 156 Eining: Gschwind 2004, 152 f. Taf. 40,C255–258. – Augsburg: Ortisi 2001, 206 Taf. 68A,1. – Manching: Spindler 1992, 186 Abb. 4,4. – Regensburg: Ebd. Abb. 4,6. – Ruffenhofen: Ebd. Abb. 3,2. – Dambach: Ebd. 146 15 Raetien typischen Form aus, die in einer speziellen Werkstatt hergestellt wurde157. Seiner Meinung nach dienten diese Schließen als Abzeichen für spezielle immunes (beneficiarii) und sollen dementsprechend auf eine Benefiziarierstation hinweisen158. Während man m. E. der These einer raetischen Sonderform durchaus zustimmen kann, ist eine Herstellung in einer zentralen Werkstatt stark zu bezweifeln und die gezielte Zuordnung zu Benefiziariern wohl auszuschließen159. Baltei wurden, wie bildliche Darstellungen belegen, bereits in der frühen Kaiserzeit von Soldaten getragen160. Allerdings wurde erst mit Beginn der mittleren Kaiserzeit ein Schultergurt, an dem das Schwert befestigt wurde, allgemein eingeführt161. H. Ubl möchte diese Veränderung in der Militärtracht mit einer Reform unter Trajan in Verbindung bringen162. Während die ältesten Funde aus den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in den Boden gekommen sein können, deuten entsprechende Schließen aus dem Kastell Niederbieber163 und DuraEuropos164 eine Verwendung bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts an. Bildliche Darstellungen belegen den Gebrauch des balteus noch bis wenigstens in tetrarchische Zeit165. Zu den Angriffswaffen zählen auch die Lanzen-, Speer- und Geschossspitzen, die in Pons Aeni durch verschiedene Exemplare vertreten sind. Aufgrund der starken Korrosion lässt sich Nr. M73 nur noch anhand der Größe als Lanzen- oder Speerspitze ansprechen. Lanzenspitzen sind in Kastellen kein seltener Fund, stammen jedoch zumeist aus Zerstörungshorizonten166 oder Hortfunden167. Als Schuh Abb. 3,3. – Buch: Ebd. Abb. 3,1. – Pfünz: Oldenstein 1976, 153 Taf. 40,386. – Osterburken: Ebd. Taf. 40,387. – Vimose: C. Engelhardt, Sønderjyske og Fynske Mosefund. Band III Kragehul og Vimosefundene (o. O. 1970) Taf. 11,3. 157 Spindler 1992, 187–190. 158 Ebd. 159 Vgl. hierzu auch Gschwind 2004, 152 f. 160 Deschler-Erb 1999, 40; Ubl 1969, 259 (allerdings bringt Ubl diese frühen baltei nur mit Offizieren in Verbindung). 161 Ubl 1969, 259. 162 Ebd. 163 Oldenstein 1976, 230 Taf. 84,1108.1109.1112.1113; Taf. 85,1118. 164 James 2004, 72–75 Abb. 35,1–15; 36,16–29. – Auch eine Bestattung in Simris, Südschweden, kann aufgrund der spatha mit Dosenortband und einer Balteusschließe ins 3. Jahrhundert datiert werden (vgl. B. Stjernquist, Runde Beschlagplatten mit Befestigungsöse. Saalburg-Jahrb. 13, 1954, 64). 165 L.Rocchetti, Su una stele del periodo tetrarchico. Annuario della Scuola Archeologica die Atene e delle Missioni Italiane in Oriente N.S. 29/30, 1967/68, 487–498 bes. 495 f. Abb. 1.2.5.6; F. Rebecchi, Le stele di età Tetrarchica al Museo di Aquileia. Aquileia Nostra 47, 1976, 66–142 bes. 106 f. Abb. 22. – Vgl. hierzu die Darstellung des Honorius mit balteus auf dem Diptychon des Probus aus dem Jahr 406 n. Chr. (A. Riegl, Spätrömische Kunstindustrie [Wien 1927] 216 f. Abb. 51; W.F. Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters. Vor- und Frühgesch. Altertümer 7 [Mainz 1976] 29 f. Taf. 1) und einen spätrömischen Soldatengrabstein aus Lentia/Linz (s. zuletzt Ruprechtsberger 1999, 72 f. Taf. 2; Mackensen 1995, 90 f. Abb. 54). – Gegen eine spätrömische Datierung des Grabsteines aus Linz s. Th. Fischer, Zu einer römischen Soldatendarstellung aus Lentia/Linz an der Donau. In: K. Kuzmová/K. Pieta/J. Rajtár (Hrsg.), Zwischen Rom und dem Barbaricum. Festschrift T. Kolník (Nitra 2002) 89–96 bes. 91. 166 Gschwind 2004, 185. – Aufgrund der Größe der Lanzen- oder Speerspitzen schließt Gschwind einen zufälligen Verlust aus. – Vgl. hierzu auch die Lanzen-, Speer- und Geschossspitzen aus dem Zerstörungshorizont des Vicus Heldenbergen (Czysz 2003, 188–190) sowie die Masse der entsprechenden Spitzen aus den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes: Zugmantel (ORL B Nr. 8, 98 f. Taf. 14); Weissenburg (ORL B Nr. 72, 39 f. Taf. 8); Pfünz (ORL B Nr. 73, 25 Taf. 15). – N. Gudea konnte bei der Untersuchung der römischen Waffen aus Kastellen in der Dacia Porolissensis feststellen, dass Wurfspeer- und Pfeilspitzen vor allem gegen Ende der Besatzungsperiode vorkommen, was er auf organisatorische Veränderungen wie vermehrten Einsatz von Reitern zurückführte (N. Gudea, Römische Waffen aus den 16 einer solchen Lanze dürfte Nr. M74 gedient haben. Drei vierkantige Geschossspitzen mit Tülle (Nr. M75–M77) könnten sowohl als Pfeil- als auch als Katapultgeschossbolzen verwendet worden sein168. Im Allgemeinen wird angenommen, dass das Gewicht von Pfeilspitzen 12 g nicht überstieg169, D. Baatz ging jedoch sogar von einem Gewicht von bis zu 30 g aus170. Gerade aufgrund von Korrosion sind Schwankungen nicht auszuschließen. So lässt sich für die vorliegenden vierkantigen Geschossspitzen sowohl eine Verwendung als normale Pfeilspitzen als auch als leichte Katapultgeschossbolzen annehmen171. Vierkantige Geschossspitzen liegen bereits von Fundplätzen des 1. Jahrhunderts wie dem Lager Hod Hill172 oder den Kastellen Aislingen und Burghöfe173 vor, während jüngste Exemplare noch in Fundkomplexen des ersten Drittels des 5. Jahrhunderts zu finden sind174. Drei dreiflügelige Pfeilspitzen (Nr. M78–M80) sind dem Typ 1 nach W. Zanier zuzuweisen, der von republikanischer Zeit bis in das 3. Jahrhundert verwendet wurde175. Eine lorbeerblattförmige Spitze mit dreieckigem Spitzenquerschnitt und breiter Tülle (Nr. M81) sowie eine blattförmige Geschossspitze mit schmaler Tülle (Nr. M82) können wohl ebenfalls als Pfeilspitzen angesprochen werden176. Bei Nr. M81 könnte es sich aufgrund der Kürze der Spitze im Verhältnis zu der Materialstärke und der breiten, rechteckigen Tülle jedoch auch um eine Lanzen- oder Speerspitze handeln, die erst sekundär lorbeerblattförmig umgeschmiedet wurde177. H. Dolenz ging von einer Verwendung entsprechender Pfeilspitzen schon ab augusteischer Zeit aus und brachte sie mit der Jagd in Verbindung178. Nr. M82 gehört zu den spätrömischen blattförmigen Pfeilspitzen. Charakteristisch für diesen Typ sind das gestreckte, teilweise auch rautenförmige Blatt und die äußerst schlanke Tülle Kastellen von Dacia Porolissensis. In: v. Carnap-Bornheim 1994, 79–89 bes. 89). M.E. ist jedoch ein Zusammenhang mit einer Bedrohung bzw. Kampfhandlung in der Endphase der Kastelle wahrscheinlicher. So erklärt sich auch J. Werner den Niederschlag von Geschossbolzen und Pfeilspitzen auf dem Lorenzberg durch Kampfhandlungen (Werner 1969, 187 f.) 167 Vgl. auch F.-R. Herrmann, Der Eisenhortfund aus dem Kastell Künzing. Saalburg-Jahrb. 26, 1969, 129–141. 168 Die Untersuchung der Geschoss- und Pfeilspitzen aus dem Vicus Heldenbergen erbrachte bei den entsprechenden Spitzen kaum einen Unterschied in Gewicht und Länge (Czysz 2003, 190 Abb. 118). 169 E. Erdmann, Vierkantige Pfeilspitzen aus Eisen von der Saalburg. Saalburg-Jahrb. 38, 1982, 5–11 bes. 6; Deschler-Erb 1999, 22. 170 Baatz 1966, 204. 171 D. Baatz ging bei den kleineren Geschützpfeilspitzen von einer Größe von 6–13 cm und einem Gewicht von 25–75 g aus (vgl. ebd. 205). – Zur unterschiedlichen Verwendung der vierkantigen Geschossspitzen zuletzt Gschwind 2004, 187. 172 Brailsford 1962, 6 Taf. 6,B85; B117–118, B181–183; I. Richmond, Hod Hill II. Excavations carried out between 1951 and 1958 for the Trustees of the British Museum (London 1968) 114 f. Taf. 58,A1a-c.A1e. 173 Ulbert 1959, 76 Taf. 27,5–6.14. 174 Eining: Gschwind 2004, 187 mit Anm. 804; 263 f. Taf. 112,G33. – Für die Exemplare aus Isny (vgl. J. Garbsch, Grabungen im spätrömischen Kastell Vemania. Vorbericht über die Kampagnen 1966–1968. Fundber. Schwaben N. F. 19, 1971, 217 Abb. 5,1–23), vom Moosberg (vgl. Garbsch 1966, 82 f. Taf. 29,10–18) und vom Lorenzberg (vgl. G. Pohl in: Werner 1969, 189 Taf. 41,22–31) lässt sich ein Gebrauch der dort vorliegenden Stücke bis in das frühe 5. Jahrhundert annehmen. 175 W. Zanier, Römische dreiflügelige Pfeilspitzen. Saalburg-Jahrb. 44, 1988, 5–27 bes. 6. 176 Christlein/Kellner 1969, 98 Abb. 3,12. 177 Vor allem Lanzenspitzen mit stumpfen Seiten weisen häufig einen dreieckigen Querschnitt auf (vgl. Gschwind 2004, Taf. 79,D56-58.D63-68). Jedoch ist auch eine wesentlich profanere Verwendung (Heugabelspitze?) nicht auszuschließen. 178 H. Dolenz, Eisenfunde aus der Stadt auf dem Magdalensberg (Klagenfurt 1998) 78f. Taf. 11,M172. 17 mit einem Durchmesser von nur 0,4–0,6 cm179. Diese ursprünglich germanische Waffenform wurde erst in spätrömischer Zeit im römischen Heer eingeführt180. Bei Nr. M83 handelt es sich um eine Tülle mit Endknopf aus Bronze, die in der Literatur als sog. Bogenendversteifungen angesprochen werden181. Diese Stücke dienten jedoch nicht dem Schutz der Bogenenden, sondern vielmehr als Speerschuhe für leichte Wurfspeere182. Aus dem dakischen Lager von Slăveni liegen solche Speerspitzen und Tüllen vor183. L. Petculescu ordnete sie leichten Wurfspeeren zu, die von der römischen Kavallerie vor allem in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts verwendet wurden184. Aufgrund des Verbreitungsbildes185 vermutete E. Deschler-Erb, dass diese spezifischen Ausrüstungsgegenstände vor allem in den mittleren und unteren Donauprovinzen zum Einsatz kamen186. 4. Signumspitze (Abb. 14, Nr. M84) Ein Aufsatz mit rundem Blatt, kurzer blattförmiger Spitze, stumpfen Seiten und geschlitzter Tülle (Nr. M84) kann als Signumspitze angesprochen werden. Vergleichbare Stücke liegen aus dem Legionslager und der Zivilstadt von Lauriacum vor187. Eine ähnliche Signumspitze mit Schaft ist auf der Basis des Grabbaus des beneficiarius G. Damianus in Alexandria dargestellt188. Die Lanze wird als sog. Benefiziarierlanze angesprochen189, obwohl die Spitze nicht über die sonst typischen kreisförmigen Löcher verfügt190. Allerdings finden sich Abbildungen von sog. Benefiziarierlanzenspitzen auch auf den Grab- oder Weihesteinen unterschiedlicher principales wieder191, weswegen eine Ansprache als spezifische Benefiziarierlanzenspitzen mitunter missverständlich sein kann. Zusammenfassung Die mittelkaiserzeitlichen Verteidigungs- und Angriffswaffen aus dem Vicusbereich belegen eine militärische Komponente von der zweiten Hälfte des 2. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts 179 Zu den Charakteristika spätantiker blattförmiger Pfeilspitzen besonders Gschwind 2004, 188; Czysz 1986, 267–269. 180 Gschwind 2004, 188; Czysz 1986, 267 mit Anm. 10–11. 181 Vgl. hierzu Gschwind 2004, 375 f. – Allerdings verweist Gschwind bereits auf Deschler-Erb, der eine Nutzung als Bogenendbeschlag ausschließt (Deschler-Erb 1999, 22 Anm. 72). 182 Vgl. hierzu Junkelmann 1992, 138–140 Abb. 142. – R. Birley geht hingegen für typologisch identische Exemplare aus Eisen von einer Verwendung als Pfeilspitzen aus, die durch die kugeligen Köpfe eine erhöhte Durchschlagskraft erhielten (E. Birley, Vindolanda Research Reports New Series IV. Fascicule 1 – The Weapons [o.O. 1996] 23 f. Abb. 9,43–60; 10,61–66). 183 Petculescu 1991, 38. 184 Ebd. 40–42. 185 Zur Verbreitung siehe ebd. 41. 186 E. Deschler-Erb/P.-A. Schwarz, Eine bronzene Speerspitze aus der Insula 22. Ihre Bedeutung für die Stadtgeschichte von Augusta Rauricorum (Augst BL). Jahresber. Augst und Kaiseraugst 14, 1993, 173–182 bes. 179. 187 Katalog Lauriacum 1997, 43 (Nr. I/A-8, Abb. auf S. 42). 188 CIL III 6601; Schallmayer u.a. 1990, 568 f. (Nr. 734 ). 189 Schallmayer u.a. 1990, 568. 190 Eine Zusammenstellung der bildlichen Darstellungen und archäologischer Funde bei Eibl 1994, 273–297. 191 Ebd. 292 f. Taf. 1a-b. 18 oder sogar darüber hinaus (vgl. Nr. M82). Bemerkenswert ist dabei die Anzahl der Helm- und Balteusbestandteile. Da Helmnieten und Balteusschließen funktionale Aufgaben erfüllten, konnte ein Verlust sicher nicht unbemerkt bleiben. Bestandteile der Panzerung und des Schwerts sowie Geschossund Pfeilspitzen liegen für eine angeblich nur zivile Besiedlung in auffälliger Stückzahl vor. 5. Pferdegeschirrzubehör Obwohl Pferdegeschirrbestandteile sowohl aus zivilen als auch militärischen Anlagen vorliegen und sich somit nicht primär als Nachweis einer militärischen Präsenz eignen, können sie in Kombination mit weiteren Militaria zumindest Hinweise auf eine mögliche Truppengattung geben192. Leider gestaltet sich jedoch schon eine Unterscheidung zwischen Gürtel- und Pferdegeschirrbeschlägen oftmals ausgesprochen schwierig193. Bestandteile des Zaumzeugs/Geschirrs (Abb. 14, Nr. P1–P19; Abb. 15, Nr. P20–P41) Das Seitenstück einer Trense mit D-förmiger Öse zur Befestigung am Lederriemen und runder Öse zur Aufnahme des eigentlichen Gebisses (Nr. P1), war seitlich am Pferdemaul angebracht und sollte als Knebel ein Durchziehen des Gebisses verhindern194. Das stark profilierte Stück mit zentraler vulvaförmiger Darstellung ist aufgrund der Verzierung möglicherweise mit den Beschlägen mit Vulvadarstellung oder auch quergerippten Wülsten zu vergleichen. Diese waren bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts in Gebrauch195. Ein massiv gegossener Riemenverteiler (Nr. P2) ist mit einem zentralen linksläufigen Sonnenrad oder Dreiwirbel verziert. Ein vergleichbares Stück aus der Sammlung Diergardt befindet sich im Römisch-Germanischen Museum Köln196. Die Verzierung und Herstellungstechnik sind den Beschlägen mit Trompetenornament nahestehend, so dass wohl ebenfalls von einer Verwendung im 2. und in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts ausgegangen werden kann197. Nr. P3 ist möglicherweise ebenfalls als Riemenverteiler anzusprechen. Ein größeres, in der Ausführung jedoch ähnliches Exemplar stammt aus dem Kastell Feldberg198. Vier halbrunde bis spitzkonische kleine Riemendurchzüge (Nr. P4–P7) und eine langgestreckte polygonale Bronzeperle (Nr. P8) waren wohl ebenfalls an den Lederriemen des Pferdegeschirrs angebracht. Auf dem 192 Zur zivilen und militärischen Verwendung von Pferdegeschirrbestandteilen zuletzt M. Mackensen, Militärische oder zivile Verwendung frühkaiserzeitlicher Pferdegeschirranhänger aus der Provinz Africa Proconsularis und den Nordwestprovinzen. Germania 79, 2001, 325–346; ders., Frühkaiserzeitliches Pferdegeschirr aus Thamusida (Mauretania Tingitana) – Evidenz für eine Garnison? Germania 69, 1991, 166– 175; Gschwind 2004, 177. 193 Vgl. hierzu auch ebd. 173. – Zu den sicher dem Pferdegeschirr zuweisbaren Formen gehören die Riemendurchzüge. Weiterhin ermöglichen die Pferdebestattungen von Tihany (Palágyi 1990, 17–45) und Brigetio (Barkóczi 1948, 169–182) die Zuweisung vieler Beschlagtypen zum Pferdegeschirr. 194 Junkelmann 1992, 16. 195 Gschwind 1998, 113–116 Abb. 1,1–12.14–16. 196 M. Schleiermacher, Wagenbronzen und Pferdegeschirr im Römisch-Germanischen Museum Köln. Kölner Jahrb. 29, 1996, 205–295 bes. 293 Abb. 117. 197 M. Schleiermacher geht im Gegensatz zu Oldenstein davon aus, dass Beschläge mit keltischen Trompetenmustern schon seit dem Beginn oder dem ersten Viertel des 2. Jahrhunderts verwendet worden sind (vgl. Schleiermacher 2000, 173). 198 Ebd. 168; 180 (F 2204) Taf. 5,3. 19 Grabstein des Soldaten Flavius Bassus aus dem späten 1. Jahrhundert sind einige Verzierungselemente des Pferdegeschirrs erkennbar, zu denen u.a. (vermutlich aus Ton/Glas gefertigte) Melonenperlen an einem Halsriemen gehörten199. Fundensembles, in denen Stücke wie Nr. P8 mit kreuzförmigen Riemendurchzügen der zweiten Hälfte des 2. und des 3. Jahrhunderts vergesellschaftet waren, deuten eine gemeinsame Verwendung an200. Wie die Pferdebestattung von Tihany201 zeigt, gehörten zum Pferdegeschirr zudem zahlreiche Beschläge und Anhänger. Hierzu zählen auch die kleinen Doppelknöpfe mit massiver Kopf- und Gegenplatte Nr. P9–P12202. Der Pferdegeschirrfund vom Kastell Zugmantel203 belegt, dass auch die Doppelknöpfe mit Drehrillen (Nr. P13–P14) und Emaileinlage (Nr. P15) sowie die unverzierten Exemplare (Nr. P16–P19) aus Pons Aeni dem Pferdegeschirr zugeordnet werden können. Aufgrund der Fundlage einzelner Pferdegeschirrbestandteile aus Tihany ging S. Palágyi davon aus, dass die Doppelknöpfe zur Befestigung der Zügel dienten, welche mittels einer Schlaufe durch eine Ringtrense geführt wurden204. Das Vorkommen in den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes deutet eine Verwendung nach der Mitte des 2. und im 3. Jahrhundert an205. Ein Doppelknopf mit zentralem Drehloch und einer Zierrille wurde in Vindolanda in einer Baracke der Periode 5 gefunden, die in das letzte Viertel des 3. Jahrhunderts datiert206. Die Pferdebestattung von Tihany beinhaltete auch eine große Menge kleiner runder Beschläge mit halbkugelförmiger Kopfplatte wie Nr. P20207. Während kleinere Beschläge möglicherweise im Bereich der Trense saßen, dienten die größeren Stücke als Verzierung der Brustund Schweifriemen. Diese sind in militärischen Anlagen keine Seltenheit: Aus den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes liegt ein breites Spektrum runder Beschläge vor208, wodurch eine Verwendung spätestens vom letzten Drittel des 2. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts angenommen werden kann209. Zwei Beschläge mit herzförmiger Grundplatte (Nr. P28–P29) weisen wiederum Parallelen zu Exemplaren aus Tihany und einigen Pferdegeschirrbeschlägen aus Siscia auf210. Zur selben Formengruppe sind auch noch zwei herzförmige, durchbrochen gearbeitete Anhänger (Nr. P39–P40) und das Fragment einer herzförmigen Platte (Nr. P41) zu zählen211. Entsprechende Anhänger und Beschläge mit herzförmiger Grundplatte können wohl erst nach der 199 Junkelmann 1992, 76 f. Abb. 84. Gschwind 2004, 176. 201 Palágyi 1990, 17–45. 202 Vgl. hierzu zwei Exemplare aus Tihany: ebd. 21 (Nr. 79.11.15); 23 (Nr. 79.11.58); Abb. 15, (79.11.15 und 79.11.58). 203 Schleiermacher 2000, 176 Taf. 1,26. 204 Palágyi 1990, 40 Abb. 12. 205 Oldenstein 1976, 168–170 bes. 170. – Doppelknöpfe wurden wohl erst im 2. Jahrhundert ein funktionaler Bestandteil des Pferdegeschirrs. Aus Fundzusammenhängen des 1. Jahrhunderts liegen bislang noch keine Doppelknöpfe vor (vgl. Deschler-Erb 1999, 49–66; E. Deschler-Erb/ M. Peter/S. Deschler-Erb, Das frühkaiserzeitliche Militärlager in der Kaiseraugster Unterstadt. Forsch. in Augst 12 (Augst 1991) 30–35; Ulbert 1959, 72–74; ders., Das frührömische Kastell Rheingönheim. Limesforsch. 9 [Berlin 1969] 46 f. Taf. 35–36). 206 Bidwell 1985, 66–69 (Baracken Periode 5); 122 ( Nr. 34) Abb. 41,34. 207 Palágyi 1990, 21–23 Abb. 13 (Nr. 79.11.19–21; 79.11.26–28; 79.11.53–54). 208 Gschwind 2004, 174 Taf. 58,C638–649; Oldenstein 1976, 171 Taf. 47,512–515; Taf. 48,516–527. 209 Oldenstein 1976, 171. 210 Tihany: Palágyi 1990, 23 Abb. 13 (Nr. 79.11.55). – Siscia: Radman-Livaja 2004, 117 Taf. 74,535. 211 Vgl. Palágyi 1990, 23 Abb. 14 (Nr. 79.11.47); Oldenstein 1976, 137–139 Taf. 34,260–267. 200 20 Mitte des 2. und vor allem in das 3. Jahrhundert datiert werden212. Tropfenförmige Anhänger mit flachem Endknopf (vgl. Nr. P38) wurden hingegen im fortgeschrittenen 1. und vor allem im 2. Jahrhundert verwendet213. Ein Beschlag mit einer massiv gegossenen rosettenförmigen Grundplatte und zwei Befestigungsstiften mit Gegenknopf (Nr. P30) ist ebenfalls dem Pferdegeschirr zuzuordnen. Zwei vergleichbare Exemplare stammen aus dem Vicus und Kastell Abusina/Eining214. Der kreuzförmige Beschlag Nr. P32 erinnert durch die starke Profilierung und die massive Ausführung an die durchbrochenen Beschläge mit Trompetenornament. Vergleichbare Stücke wurden beispielsweise in Eining und Köngen gefunden215. Aus einer Pferdebestattung in Brigetio liegen ebenfalls kreuzförmige Beschläge vor, wodurch eine Verwendung am Pferdegeschirr als gesichert gelten kann216. Pferdegeschirrbeschläge des fortgeschrittenen 3. Jahrhunderts wurden zuletzt von Gschwind eingehend behandelt217. Auf der Basis des Materials aus dem Kastell Abusina/Eining konnte er nachweisen, dass eine bestimmte Gruppe von Beschlägen vor allem während der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts verwendet wurde218. Funde aus den Pferdebestattungen von Brigetio219 machen dabei eine Zugehörigkeit zum Pferdegeschirr wahrscheinlich. Auch der Beschlag mit parallelen Wülsten (Nr. P33) und drei runde Riemenbeschläge mit gewölbter Kopfplatte (Nr. P34–P36) sowie ein muschelförmiger Beschlag (Nr. P37) aus Pons Aeni können zu der von Gschwind zusammengefassten Gruppe gezählt werden. Nr. P33 ist mit den Beschlägen und Riemendurchzügen mit parallelen Wülsten aus Eining vergleichbar220. Parallelen finden sich in Dura-Europos, der Pferdebestattung von Brigetio oder dem Burgus von Froitzheim221. Während die Funde aus Dura-Europos für eine Nutzung schon in der ersten Hälfte oder um die Mitte des 3. Jahrhunderts sprechen, kann das Exemplar aus Froitzheim erst um oder kurz nach 274 n. Chr. in den Boden gekommen sein222. Derselben Zeitstufe gehören runde Riemenbeschläge mit gewölbter Kopfplatte und zwei Nietstiften mit Gegenknopf (Nr. P34–P36) an. Exemplare aus Froitzheim (Periode IV), vom Moosberg und aus dem Vicus von Jünkerath223 belegen, dass diese in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts verwendet wurden224. 212 Oldenstein 1976, 130–139 bes. 136. Ebd. 124–127; Gschwind 2004, 121. – Allerdings liegen entsprechende Anhänger auch aus Dura-Europos vor und dürften möglicherweise noch bis in das 3. Jahrhundert in Gebrauch gewesen sein (vgl. James 2004, 91 Abb. 42,230–232). 214 Gschwind 2004, 342 Taf. 54,C569–570. 215 Eining: Gschwind 2004, 331 Taf. 47,C406. – Köngen: Luik 1996, 206 Taf. 49,9. – Ein weiteres Exemplar liegt aus den canabae legionis von Regensburg vor (freundl. Hinweis S. Reuter; unpubliziert; AO: Bayer. LfD, Außenstelle Regensburg; Grabung Kumpfmühler Str. 3/5, 2000; Inv. Nr. 2000, 26; Fd. Nr. 1465). 216 Barkóczi 1948, 178 Taf. 30,6.10. 217 Gschwind 1998, 112–138. 218 Ebd. 113–126. 219 Barkóczi 1948, 169–182. 220 Gschwind 1998, 115 Abb. 1,5–12. 221 Dura-Europos: James 2004, 99 Abb. 45,351.352. – Brigetio: Barkóczi 1948, 178 Taf. 30,13.14.16.17; Taf. 32,11. – Froitzheim: Barfield 1968, 99 Abb. 39,7. 222 Barfield 1968, 12 f. (Datierung der Perioden); 99 f. Abb. 39,7 (Riemendurchzug). 223 Zur Verbreitung s. Gschwind 1998, 122–124; 133–135 (Liste 3). 224 Aus dem Hauptgebäude der villa rustica von Wurmlingen stammen aus einer Brandschuttschicht der Steinbauphase 2 mehrere runde Beschläge mit leicht gewölbter Kopfplatte. Der Zerstörungshorizont wird 213 21 Jüngere Exemplare vom Katzenberg bei Mayen oder aus dem Depotfund von Lingenberg deuten einen Gebrauch bis in das frühe 4. Jahrhundert an225. Auch muschelförmige Beschläge wie Nr. P37 wurden von Gschwind dieser Gruppe zugewiesen226. Parallelen aus den Kastellen Niederbieber, Zugmantel und Wörth a. Main wertete er aber als Beleg, dass die Form schon vor 260 ausgeprägt war227. 6. Teile des Paradegeschirrs (Abb. 15, Nr. P42) Aufgrund seiner Fragmentierung kann das Bronzeblech Nr. P42 nur noch allgemein als Teil einer Paraderüstung oder eines Pferdegeschirrs angesprochen werden. Die ehemals runde oder leicht ovale Scheibe ist mit einem (wohl ursprünglich umlaufenden) Eichenkranz mit Blättern in Triebtechnik verziert. Es lässt sich kaum klären, ob entsprechende Funde als Schildbuckel (umbo) oder Brustscheiben (pectorale) vom Pferdegeschirr dienten228. Vergleichbar mit dem vorliegenden Fragment weisen die Medaillons aus Täbris, Bonn, Schwarzenacker, Baly Bunar oder Miltenberg ebenfalls einen verdickten und mit Kerben verzierten Rand auf, während ein Exemplar aus Blerick mit einem umlaufenden Blattkranz verziert ist229. Diese Exemplare wurden vermutlich im 2. und 3. Jahrhundert von Kavallerieeinheiten verwendet230. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass es sich bei der Nr. P42 um ein zum Wiedereinschmelzen vorgesehenes, bereits absichtlich zerteiltes Fragment handelt. 7. Reiterausrüstungsbestandteile (Abb. 15, Nr. P43) Ein zierlicher Bronzesporn (Nr. P43) mit Nietknopfhalterung (mit Eisenresten des Dorns) und fragmentiertem Haken am Fersenast ist dem Typ Leuna Variante D zuzuordnen231. Ein vergleichbares Exemplar liegt aus der spätrömischen Befestigung von Bedaium/Seebruck vor232. Auch in dem Fundensemble aus Deurne mit einem terminus post quem von 319 n. Chr. findet sich ein Sporn dieses Typs233, den E. Keller in die Zeit um 300 und das frühe 4. Jahrhundert datierte234. U. Giesler ging von aufgrund Rheinzaberner Sigillata der Gruppe III (Fragmente von Reliefschüsseln des Iulius II bzw. Iulius II– Iulianus I) in die Zeit zwischen 220 und 240 datiert (vgl. Reuter 2003, 36–39; 83–85 Taf. 23,108,4.11–13; Reuter/Trumm 1996, 300 Abb. 4,7.9). Auch aus Dura-Europos liegen schon runde Riemenbeschläge mit gewölbter Kopfplatte vor (James 2004, 95 Abb. 43,314.315). 225 Gschwind 1998, 124 mit Anm. 86–87. 226 Ebd. 116–120 bes. 119. 227 Ebd. 117. 228 Zur Verwendung entsprechender Medaillons als Brustscheiben am Pferdegeschirr s. M. Junkelmann, Reiter wie Statuen aus Erz (Mainz 1996) 87. – J. Garbsch schließt eine Verwendung sowohl am Pferdegeschirr als auch als Schildbuckel nicht aus (Garbsch 1978, 12). 229 Garbsch 1978, 83 f. Taf. 40; 42; 43,2.3. 230 Vgl. die Datierung der einzelnen Exemplare in ebd. 83–85. 231 Giesler 1978, 12 f. 232 Keller 1969, 201–206; Burmeister 1998, 188 Taf. 94,806. 233 M.A. Evelein, Ein römischer Helm des Leidener Museums. Prähist. Zeitschrift 3, 1911, 144–156 bes. 149 Abb. 2,3. – Zur Datierung aufgrund der Münzen vgl. H. Klumbach, Spätrömische Gardehelme. Münchner Beitr. Vor- und Frühgesch. 15 (München 1973) 70–72. – Kritisch zur zeitlichen Geschlossenheit des Komplexes: C. van Driel-Murray, A late Roman assemblage from Deurne (Netherlands). Bonner Jahrb. 200, 2000, 293–308. 234 Keller 1969, 205. 22 einem Aufkommen der frühen, zierlichen Variante D in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts und einem Übergang zu den massiven jüngeren Exemplaren im frühen 4. Jahrhundert aus235. Zusammenfassung Für die überwiegend mittelkaiserzeitlichen Pferdegeschirrbestandteile kann sowohl eine militärische als auch eine zivile Verwendung angenommen werden236. Die Beschläge und Anhänger könnten in Pons Aeni somit als Zeugnis von durchziehender/anwesender Kavallerie, aber auch von zivilem Reise- und Transportverkehr gewertet werden. Das vermutlich dem Paradegeschirr als pectorale zuweisbare Bronzefragment könnte wohl im späten 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts von berittenen Einheiten verwendet worden sein237. Die von Gschwind zusammengestellte und diskutierte Gruppe der Beschläge der zweiten Hälfte des 3. und des frühen 4. Jahrhunderts und der Sporn Typ Leuna Variante D weisen über den breiten mittelkaiserzeitlichen Fundhorizont hinaus und wurden möglicherweise erst in spätrömischer Zeit verwendet. 8. Fibeln Im Vicusbereich auf dem Kastenfeld wurden insgesamt 91 Fibeln bzw. Fibelfragmente entdeckt. Die Kartierung der Stücke zeigt dabei schon, dass sowohl die mittelkaiserzeitlichen als auch die spätrömischen Fibeln über das gesamte Vicusareal streuen, ohne dass bestimmte Konzentrationen zu beobachten wären. Eingliedrige Spiraldrahtfibel Almgren 15/Jobst 9B (Abb. 16, Nr. F1) Die eingliedrige Spiraldrahtfibel mit einem halbkreisförmig gebogenen Bügel mit quadratischem Querschnitt und Punzdekor (Nr. F1) entspricht der Form Almgren 15 bzw. Jobst 9B238. Obwohl vom obergermanisch-raetischen Limes mehrere eingliedrige Spiraldrahtfibeln des Typs Almgren 15 vorliegen239, stammen Parallelen für die punzverzierte Variante Jobst 9B mit quadratischem oder rhombischem Bügelquerschnitt vor allem aus dem mittleren Donauraum. Entsprechende Vergleichsstücke finden sich beispielsweise in Straubing, Wels, Lauriacum, und Hollenburg unweit von Mautern an der Donau240. Während N. Walke das Exemplar aus dem Nordostvicus von Straubing in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts datierte241, ging W. Jobst bei den Fibeln aus dem Legionslager Lauriacum erst von einer Verwendung in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts aus242. Fibeln des 235 Giesler 1978, 26. s. Anm. 192. 237 Pfahl/Reuter 1996, 126. 238 Jobst 1975, 54; Sedlmayer 1995, 7–11. 239 Böhme 1972, 13 f. 240 Straubing: Walke 1965, 147 Taf. 93,1. – Wels: Sedlmayer 1995, 128 Taf. 1,5 (obwohl die Fibel nach Sedlmayer zum Typ Jobst 9A gezählt wird, ist m. E. von einer Zugehörigkeit zu Typ Jobst 9 B auszugehen). – Lauriacum: Jobst 1975, 54 Taf. 13,83.84. – Hollenburg: H. Riedl, Spätrömische Gräber in Mautern an der Donau. ÖJh. 35, 1943, Beibl. 96 Abb. 31. 241 Walke 1965, 147 (Inv. 3188: „2. Hälfte 1. Jahrhundert“). 242 Jobst 1975, 54. 236 23 Typs Jobst 9A mit rhombischem Bügelquerschnitt finden sich noch in Fundzusammenhängen des späten 2. und frühen 3. Jahrhunderts243, allerdings verfügen diese Exemplare nicht über die für Variante B typische Punzverzierung. Kräftig profilierte Fibeln (Abb. 16, Nr. F2–F21) Mit 20 Exemplaren bilden die kräftig profilierten Fibeln eine der größten Gruppen im Fundmaterial von Pons Aeni. Das Fibelfragment Nr. F2 kann aufgrund des zweifach durchlochten Nadelhalters und des nach oben gewandten Endknopfes dem Typ Almgren 68244 zugewiesen werden. Der Fibeltyp kommt überwiegend in claudisch-neronischen Fundzusammenhängen vor, ist jedoch auch in spätflavischer Zeit noch nachweisbar245. Vier Fibeln (Nr. F3–F6) gehören dem Typ Almgren 70/Cambodunum Gruppe 4/Jobst 4C an. Die zweigliedrigen Spiralfibeln verfügen über eine breit ausgebildete Stützplatte246, unter der die Spiralkonstruktion mit oberer Sehne und der schmale Sehnenhaken sitzen. Im Gegensatz zu den älteren kräftig profilierten Fibeln ist der Bügel flach und der Nadelhalter geschlossen247. Aufgrund des massierten Vorkommens im norisch-pannonischen Raum im Gegensatz zu den wenigen Exemplaren aus den Rheinprovinzen ging Jobst von einer Hauptverbreitung in den Donauprovinzen aus248. Kräftig profilierte Fibeln Almgren 70 stammen in Kempten aus der vierten Periode, die in spätflavischer Zeit beginnt249. Jobst und M. Schleiermacher konnten eine Verwendung im späten 1. und frühen 2. Jahrhundert bestätigen250. Nach Ch. Gugl sind die hier vorliegenden Fibeln aufgrund der abgeplatteten Bügelkämme seiner Variante Almgren 70/73e zuzuweisen, welche ebenfalls schon in spätflavischer Zeit auftritt, jedoch bis in das dritte Viertel des 2. Jahrhunderts belegt werden kann251. Aus dem Lager Eining-Unterfeld, das nur temporär in den 70er Jahren des 2. Jahrhunderts besetzt war, liegen bereits nur noch Exemplare des Typs Almgren 73/ Jobst 4D vor252. Nr. F7 ist vermutlich ebenfalls noch zu dem Typ Jobst 4C zu rechnen, da der Sehnenhaken zwar schon ausgehämmert und abgeflacht ist, jedoch noch keine Hülse bildet253. Spätformen des Typs Jobst 4C gehören wohl bereits dem Jobst 1975, 53; 149 (Nr. 81: „nachmarkomannisch-Juthungeneinfall [213–234 n. Chr.]“); Sedlmayer 1995, 10. 244 Ettlinger 1973, 61–63; Jobst 1975, 32 f.; Sedlmayer 1995, 13–17; Gugl 1995, 12; Ortisi 2002, 19–22. 245 Gugl 1995, 12. – Allerdings kommen auch Fibeln des Typs Almgren 73 vereinzelt mit durchlochtem Nadelhalter vor (vgl. hierzu Fasold 1993, 20 Tab. 2). – Zur Verbreitung s. Gugl 1995, 12; Ortisi 2002, 20. 246 Zur typologischen Einteilung nach Typen mit und ohne Stützplatte oder mit Hülse/Kappe s. Almgren 1923, 35–47. 247 Jobst 1975, 33; Riha 1979, 79. 248 Jobst 1975, 33. 249 W. Krämer, Cambodunumforschungen 1953 – I. Die Ausgrabungen von Holzhäusern zwischen der 1. und 2. Querstrasse. Materialh. Bayer. Vorgeschich. 9 (Kallmünz 1957) 35 f. – W. Krämer kann die Periode IV jedoch nicht genauer eingrenzen, da entsprechende stratigraphische Befunde fehlten. 250 Jobst 1975, 33; Riha 1979, 79; M. Schleiermacher, Die römischen Fibeln von Kempten – Cambodunum. Materialh. Bayer. Vorgesch. Reihe A 63 (Kallmünz 1993) 20. 251 Gugl 1995, 16 f. – S. Ortisi geht von einer Verwendung bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts und in Noricum noch darüber hinaus aus (vgl. Ortisi 2002, 24). 252 Jütting 1995, 155 Abb. 5,1.2. 253 Jobst 1975, 34. 243 24 fortgeschrittenen 2. Jahrhundert an254. Für den Datierungsansatz spricht auch der abgeflachte Bügelkamm (im Gegensatz zum Bügelknopf) der Nr. F7. Fibeln der Form Almgren 73/Jobst 4D sind in Pons Aeni durch zwei Exemplare vertreten (Nr. F8–F9). Der ausgehämmerte Sehnenhaken ist hier auf ganzer Breite bis zur Stützplatte aufgebogen und bildet somit eine Art Hülse255. Die jüngsten Varianten der Form Almgren 73 können anhand stratifizierter Funde aus Lauriacum in die Zeit von der Mitte des 2. bis Anfang des 3. Jahrhunderts datiert werden256. Die beiden Fibeln des Typs aus Eining-Unterfeld bestätigen eine Verwendung im späten 2. Jahrhundert257. Nr. F8 gehört der Variante Almgren 70/73f nach Gugl an, die sich durch Wolfszahnmuster und Rillenverzierung auf der Sehnenkappe und dem Nadelhalter, einem breiten gestreckten Fuß mit rechteckigem Querschnitt, dreifach profiliertem Bügelkamm und aufwärts geneigtem Fußknopf auszeichnet258. Diese Fibeln scheinen hauptsächlich in antoninischer Zeit in Gebrauch gewesen zu sein, wobei eine Verwendung bis gegen Anfang des 3. Jahrhunderts nicht ausgeschlossen werden kann259. Bemerkenswert ist die weitgehend auf Noricum beschränkte Verbreitung260. Nr. F10 und F11 entsprechen der Form Jobst 4E. Für diese Variante der kräftig profilierten Fibeln ist vor allem der ausgehämmerte Sehnenhaken charakteristisch, durch den nunmehr eine Spiralkonstruktion mit unterer Sehne bedingt ist261. Weitere Kennzeichen sind der Bügel mit meist deutlichem Mittelgrat und stark ausgeprägtem Bügelkamm (auch verdoppelt) sowie der im Allgemeinen hochrechteckige Nadelhalter262. Jobst ging auf der Basis der Fibeln aus Lauriacum von einer lokalen Produktion aus263. Neue Funde weisen jedoch auf eine wesentlich weitere Verbreitung hin, die schwerpunktmäßig die Provinz Noricum einschließt, die angrenzenden Randgebiete der westlich und östlich gelegenen Nachbarprovinzen jedoch auch noch erfasst264. Die Fibeln Jobst 4E aus Lauriacum können aufgrund stratigraphischer Befunde in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert werden265. Nr. F10 und F11 sind möglicherweise der Gruppe 2 des Typs Jobst 4E nach G. Grabherr zuzuweisen266, die das Bindeglied zwischen den kräftig profilierten Fibeln Jobst 4E und den Kniefibeln bilden. Während der profilierte Bügelkamm eindeutig die Zugehörigkeit zu den Fibeln 254 Jobst 1975, 34. Ebd.; Almgren 1923, 37. 256 Jobst 1975, 34 f. 257 Zur Datierung des Lagers Eining-Unterfeld siehe Jütting 1995, 189 f. 258 Gugl 1995, 17. 259 Ebd. 18. 260 Ebd.; Grabherr 2001, 30. 261 Jobst 1975, 35; Grabherr 2001, 30; Struck 1996, 32. – Allerdings zählt W. Jobst auch einige Exemplare mit oberer Sehne zu seinen Typen 4E, wodurch eine exakte Ansprache erschwert wird. In entsprechenden Publikationen, die sich auf Jobst stützen, herrscht daher mitunter Unklarheit über die exakte Typenansprache (vgl. Sedlmayer 1995, 26). So fasst auch P. Fasold kräftig profilierte Fibeln mit ausgeprägter Hülse und oberer Sehne noch unter dem Typ Jobst 4E zusammen (Fasold 1993, 21 f.). 262 Jobst 1975, 35. – Dementsprechend wurden auch die Fragmente Nr. F12 und F13 noch dem Typ Jobst 4E zugeordnet. 263 Ebd. 35 f. 264 Grabherr 2001, 48 (Fundliste 1) Abb. 35. 265 Jobst 1975, 35. 266 Grabherr 2001, 31. 255 25 Jobst 4E unterstreicht267, ist der Bügel am Übergang zum Fibelkopf bereits knieartig umgebogen. Fibeln dieser Variante sind vom Michlhallberg und aus dem Gräberfeld von Ergolding bekannt268. Grabherr geht bei den Stücken vom Michlhallberg von einer Verwendung ab severischer Zeit aus, wobei das jüngste Exemplar aus einer münzdatierten Schicht des dritten Viertels des 3. Jahrhunderts stammt269. Die Fibel Jobst 4E aus Grab 78 des Gräberfelds von Ergolding wird der spätesten Belegungsphase 4 ab 230 n. Chr. zugeordnet270. Eine weitere kräftig profilierte Fibel aus Silber des Typs Jobst 4E stammt aus dem Hortfund von Marktl a. Inn271, der mit einer Prägung des Maximinus Thrax schließt. Die Gegenstände können also erst nach 235/236 verborgen worden sein272. Aus Vintl im Pustertal (Südtirol) liegen zwei kräftig profilierte Fibeln vor, die vermutlich dem Typ Jobst 4E zuzuordnen sind273. Ein Exemplar stammt aus nicht genauer beschriebenen Fundumständen, in denen es mit Münzen bis Constantinus I. vergesellschaftet war274. Ob man aus diesem Stück auf eine Verwendung des Fibeltyps bis in das erste Viertel des 4. Jahrhunderts275 schließen kann, ist eher fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hier um ein Altstück des 3. in jüngeren Befunden des 4. Jahrhunderts handelt. Typ Jobst 4E mit Spiralhülse: Der Typ Pons Aeni (Abb. 16, Nr. F14–F21) Bei den Fibeln Nr. F14–F21 handelt es sich um eine typologische Weiterentwicklung der Form Jobst 4E276, die aufgrund der deutlich unterschiedlichen Merkmale im Folgenden als eigenständiger Typ Pons Aeni angesprochen wird277. Im Gegensatz zu dem für die Form Jobst 4E typischen ausgehämmerten Sehnenhaken, der in Verbindung mit der Stützplatte ein hülsenförmiges Gehäuse bildet, hat die zuletzt durch Grabherr eingehend behandelte Fibelgruppe eine komplett ausgebildete Hülse zur Aufnahme der Spirale278. Der Bügel des Typs Pons Aeni ist gerade oder nur leicht gebogen und mit einem ausgeprägten Mittelgrat versehen. Als weitere typologische Gemeinsamkeit sind zwei ausgeprägte Bügelkämme (oftmals mit bis zu zwei weiteren Profilierungen davor und/oder dahinter) zu nennen279. Eine Kartierung der Funde durch Grabherr (Abb. 5) zeigt einen Verbreitungsschwerpunkt im Chiemgau zwischen Inn und Salzach, wobei Einzelstücke noch in den 267 Grabherr 2001, 31. Struck 1996, 32–34 Taf. 94,78–2. 269 Grabherr 2001, 30 f. ( Nr. B9) mit Anm. 41 (jüngste Münze Prägung des Aurelianus ohne genauere Angabe); Taf. 2,B9. 270 Struck 1996, 32–34; 88 Tab. 9. 271 Pietsch 2004, 140 f. 272 Ebd. 142. 273 Giovanazzi 2002, 659 f. 274 Ebd. 660. 275 Ebd. 276 Sedlmayer 1995, 26 mit Anm. 153; Grabherr 2001, 32. 277 Leider lassen die Fundstücke keine Aussage zu einer möglichen Produktion der Fibeln in Pons Aeni, die durchaus hier anzunehmen wäre, zu. Dennoch scheint es angebracht, diesen eigenständigen Typ unter den kräftig profilierten Fibeln aus der Typenbezeichnung Jobst 4 E herauszulösen und aufgrund der aus dem Vicus vorliegenden Menge als gesonderten Typ Pons Aeni zu führen. 278 Grabherr 2005, 98–112. 279 Vgl. hierzu auch Grabherr 2001, 32 Taf. 2,B10. 268 26 angrenzenden Teilen Ostraetiens und Westnoricums zu finden sind280 (vgl. Fundliste der Fibeln Typ Pons Aeni im Anhang). Während Grabherr sich aufgrund dieser regionalspezifischen Variante der kräftig profilierten Fibeln für eine eigenständige Trachtregion im nordwestlichen Noricum aussprach281, kann m. E. das Gebiet noch stärker eingegrenzt werden. Aufgrund des massierten Vorkommens zwischen Inn und Salzach mit Schwerpunkt rund um den Chiemsee ist wohl von einem spezifisch im Chiemgau getragenen Fibeltyp auszugehen, der nur vereinzelt über diese Region hinaus Verbreitung fand. Einen Datierungshinweis für die Fibeln vom Typ Pons Aeni liefert ein Exemplar aus Grab 191 in Seebruck. Nach P. Fasold ist das Grab seiner Zeitstufe 6 (erstes Drittel des 3. Jahrhunderts) zuzuweisen282. Aufgrund der vergesellschafteten Keramik ist jedoch eine Datierung schon in das späte 2. Jahrhundert möglich283. Ein Exemplar aus Pocking stammt aus einem mit Brandschutt verfüllten Keller und war mit drei Münzen (jüngste Prägung Severus Alexander, 228– 231) vergesellschaftet284. Obwohl die Zerstörung mit den Alamanneneinfällen um 233 in Verbindung gebracht wurde285, kann die Aufgabe der Siedlung aufgrund neuerer Untersuchungen mittlerweile um 260 n. Chr. angesetzt werden286. Demnach ist eine Verwendung der Fibelform vom letzten Viertel des 2. bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts durchaus wahrscheinlich. Norisch-pannonische Flügelfibel (Almgren 238; Abb. 16, Nr. F23) Das Fragment eines Flügels mit Kerbverzierung und zwei Knöpfen (Nr. F23) ist der einzige Beleg einer norisch-pannonischen Flügelfibel Almgren 238, die allgemein in das 1. und 2. Jahrhundert datiert werden können287. Aufgrund des Erhaltungszustandes ist eine nähere Bestimmung nicht möglich. Das seltene Vorkommen norisch-pannonischer Flügelfibeln in Pons Aeni verwundert besonders im Verhältnis zu der Anzahl entsprechender Fibeln aus dem nahen Vicus und Gräberfeld von Bedaium/Seebruck288. Da die jüngsten Exemplare der Form noch im fortgeschrittenen 2. Jahrhundert vorkommen289, ist eine dauerhafte Besiedlung in Pons Aeni vor dem späten 2. Jahrhundert unwahrscheinlich. 280 Grabherr 2005, 102 Abb. 3. Ebd. 103. 282 Fasold 1993, 84; 195 f. (Grab 191). 283 Die Zeitstufe 6 des Gräberfeldes wird von Fasold durch das Aufkommen von Rheinzaberner Sigillata der Gruppe II bestimmt, welche wohl um 200 n. Chr. die älteren Produkte ablöste. Die Zeitstufe 7 datierte er hingegen aufgrund des Vorhandenseins später Dicanusware aus Pfaffenhofen erst nach 233 n. Chr. (Fasold 1993, 84). Aus Grab 191 liegt jedoch noch keine Rheinzaberner Sigillata der Gruppe II vor. Einen Hinweis auf eine Datierung des Grabes schon um bzw. kurz nach 180 n. Chr. bieten jedoch drei Randscherben der Form Drag. 32. Vgl. hierzu Faber 1994, 30–32; 237–244; Fischer 1994, 343 f. 284 Wandling 1990, 112. 285 Ebd. 286 Wandling/Ziegaus 1993, 128. 287 Garbsch 1965, 49–79. 288 Fasold 1993, 23 f. Tab. 5; Burmeister 1998, 95 f. Taf. 27,91–93. 289 Vgl. Garbsch 1965, 78 Abb. 41. 281 27 Trompetenfibel mit runder Platte (Collingwood Gruppe Sii; Abb. 16, Nr. F24) Die wohl außergewöhnlichste Fibel (Nr. F24) aus Pons Aeni kann der Gruppe der Trompetenfibeln mit runder Platte und Emaileinlage290 zugeordnet werden. Das allgemeine Verbreitungsbild dieses Typs deutet eine britannische Herkunft an291. So finden sich dort auch die besten Vergleichsstücke in Redhill, Wroxeter und Brough-under-Stainmore292. Leider sind von dem Stück aus Pons Aeni nur noch die runde Scheibe mit Resten der typischen blauen Emaileinlage293 und der flache Bügel mit dem Ansatz des Nadelhalters erhalten. Die Exemplare aus Wroxeter und London waren um die Mitte des 2. Jahrhunderts in Gebrauch294, allgemein kann jedoch von einer Verwendung von antoninischer Zeit bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts ausgegangen werden295. A. Böhme schlug für die sog. englischen Fibeln aus den Kastellen Saalburg und Zugmantel eine Interpretation als Handelsgut, Zeugnis von Truppenverschiebungen oder britischen Bevölkerungsteilen vor296. M. E. lässt sich keine dieser Thesen für das Exemplar aus Pons Aeni beweisen. Eher ist hier an ein Zeugnis individueller Mobilität zu denken. Kniefibeln (Abb. 16, Nr. F25–F28; Abb. 17, Nr. F29–F43) Böhme unterschied anhand der Fibeln aus den Kastellen Saalburg und Zugmantel drei verschiedene Formen: Typ 19 mit halbrunder Kopfplatte und längsgestelltem Nadelhalter297, Typ 20 mit eckiger Kopfplatte298 und Typ 21 mit Spiralhülse299. Jobst unterteilte die Kniefibeln aus Lauriacum in nur zwei Typen mit Varianten: Typ 12 mit Spiralhülse300 und Typ 13 mit Kopfplatte, wobei er hier die Kniefibeln mit halbrunder und rechteckiger Kopfplatte als Varianten zusammenfasste301. Nr. F25 und F26 entsprechen der Form Böhme 19a/Jobst 13D, die sich durch eine halbrunde Kopfplatte mit Wolfszahndekor in Hängebögen auszeichnet302. Beide Fibeln verfügen über die für den obergermanisch-raetischen Formenkreis charakteristische Spiralkonstruktion mit unterer Sehne303, obwohl Nr. F25 mit dem deutlich S-förmig geschwungenen Bügel und verstärktem Nadelhalter 290 Snape 1993, 17; Richardson 1960, 200–213; Hattatt 1982, 110 f. Richardson 1960, 204; Böhme 1970, 13; Hattatt 1982, 110. – Vgl. hierzu auch J. Bayley/S. Butcher, The Composition of Roman Brooches Found in Britain. In: Ancient Bronzes 1995, 113–119 bes. 118. 292 Richardson 1960, 201 Abb. 1,16; 2,9.13. 293 Ebd. 204; Hattatt 1982, 110. 294 Richardson 1960, 206. 295 Ebd.; Snape 1993, 17. – Vgl. hierzu auch: P. S. Austen, Bewcastle and Old Penrith. A Roman Outpost Fort and a Frontier Vicus. Excavations, 1977-78. Cumberland and Westmorland Ant. and Arch. Soc., Res. Ser. 6 (Stroud 1991) 181–183 (Nr. 622) Abb. 89,622. 296 Böhme 1970, 13. 297 Dies. 1972, 18–20. 298 Ebd. 20. 299 Ebd. 20–22. 300 Jobst 1975, 59–63. 301 Ebd. 63–68. 302 Böhme 1972, 19; Jobst 1975, 66. 303 Kniefibeln mit halbrunder Kopfplatte und untersehniger Spiralkonstruktion werden allgemein dem obergermanisch-raetischen Formenkreis zugeordnet, während solche mit oberer Sehne wohl überwiegend dem norisch-pannonischen Bereich angehören (vgl. Böhme 1972, 19; Sedlmayer 1995, 43). 291 28 durchaus Merkmale norisch-pannonischer Exemplare aufweist304. Das Verzierungsmuster wurde von Böhme als charakteristisch für das obergermanisch-raetische Gebiet angesehen305, wohingegen H. Sedlmayer entsprechende Muster auf Kniefibeln mit Spiralkonstruktion mit oberer Sehne als typisch norisch-pannonisch ansah306. Nr. F27, eine bronzene, verzinnte Kniefibeln mit unterer Sehne und halbrunder Kopfplatte mit randlichem Wolfszahndekor, gehört aufgrund des Dekors dem Typ Böhme 19b bzw. Jobst 13D (mit gekerbtem Rand, Strichpunzierung oder Zinnenmuster dekorierte Kopfplatte307) an. Nr. F30–F33 verfügen alle über eine Spiralkonstruktion mit oberer Sehne und randlichem bzw. in zwei Reihen angeordnetem Wolfszahndekor. Obwohl Böhme entsprechende Exemplare mit oberer Sehne nur mit rechteckiger Punzverzierung bzw. unverziert kannte, können die Exemplare aus Pons Aeni als Variante dem Typ Böhme 19h308 bzw. Jobst 13D zugeordnet werden. Kniefibeln mit unverzierter, halbrunder Kopfplatte sind in Pons Aeni nur zweimal vertreten (Nr. F28– F29). Die halbrunde Kopfplatte ohne Dekor erlaubt es Nr. F28 der Form Böhme 19b309 bzw. Jobst 13C310 zuzuordnen. Nr. F29 kann aufgrund der Spiralkonstruktion als Typ Böhme 19h311 angesprochen werden. Während bislang vermutet wurde, dass Kniefibeln mit halbrunder Kopfplatte gegen Ende des 2. bzw. Anfang des 3. Jahrhunderts kaum mehr verwendet wurden312, nimmt M. Buora nunmehr eine Gebrauchszeit bis in das späte 3. bzw. das frühe 4. Jahrhundert an313. Kniefibeln mit schmaler, rechteckiger Kopfplatte, die nur die Spiralkonstruktion bedeckt (Nr. F34), bilden nach Jobst die Übergangsform zwischen den Kniefibeln mit Spiralhülse und dem Typ mit großer rechteckiger Kopfplatte314. Der nahezu rechtwinklig abgeknickte Bügel mit rechteckigem Querschnitt entspricht dabei eher den Kniefibeln mit Spiralhülse Jobst 12315. Jobst vermutete ein Vorkommen dieses Typs vor allem im Rheinland316. Vereinzelt liegen jedoch auch Exemplare aus dem norisch-pannonischen Raum vor317. Kniefibeln mit Spiralhülse sind in Pons Aeni durch Nr. F35–F39 vertreten. Nr. F35 zählt mit dem hohen, längsgestellten Nadelhalter und dem facettierten Bügel zur Form Jobst 12A318. Sedlmayer ging aufgrund der Fundkonzentration von einer Produktion im 304 Sedlmayer 1995, 43 f. Böhme 1972, 19. 306 Sedlmayer 1995, 44. – Grabherr stellte fest, dass verzierte Kopfplatten im norisch-pannonischen Raum gegenüber den unverzierten überwiegen, wohingegen das Verhältnis im obergermanisch-raetischen Gebiet seiner Meinung nach umgekehrt sei (Grabherr 2001, 35). 307 Jobst 1975, 66; Sedlmayer 1995, 43. 308 Böhme 1972, 19. 309 Ebd. 310 Jobst 1975, 65. 311 Böhme 1972, 19. 312 Ebd.; Riha 1979, 85; Luik 1996, 133. 313 Buora 2003, 506 f. mit Anm. 19–23; Reuter 2005, 199 f. 314 Jobst 1975, 63. 315 Ebd. 61. 316 Ebd. 63. 317 Neben den Exemplaren aus Lauriacum und dem hier vorgestellten Stück aus Pons Aeni ist eine Kniefibel mit schmaler rechteckiger Platte, oberer Sehne und halbrundem Bügelquerschnitt aus dem Museum Szekszárd (Ungarn) bekannt, die ebenfalls dem Typ Jobst 12G zuzuordnen ist (Patek 1942, 133 Taf. 23,4). 318 Jobst 1975, 60; Grabherr 2001, 34 f. 305 29 nordwestpannonischen Raum aus319. Entsprechend der bislang bekannten westlichsten Funde zweier Kniefibeln aus dem Gräberfeld von Seebruck320 und aus Teisendorf-Hörafing321 fügen sich auch die Exemplare aus Pons Aeni gut in das Bild der westlichen Verbreitungsgrenze ein. Fibeln der Formen Jobst 12A und B scheinen schon in der ersten Hälfte oder um die Mitte des 2. Jahrhunderts aufzukommen und sind bis in das frühe 3. Jahrhundert belegt322. Zwei Fibeln (Nr. F37–F38) sind der Variante Jobst 12C/Böhme 21a zuzuordnen. Typisch für diese Variante ist der hohe, S-förmig geschwungene Bügel mit spitzdreieckigem, trapezförmigem oder rechteckigem Querschnitt und der quergestellte Nadelhalter323. Die Stücke aus Pons Aeni weisen deutliche Gemeinsamkeiten mit den Kniefibeln aus den Kastellen Saalburg, Zugmantel und Niederbieber auf324. Während Böhme eine Verwendung der Form von antoninischer Zeit bis in das frühe 3. Jahrhundert annahm325, schlug M. Gechter auf der Basis der Funde aus Niederbieber ein vorkastellzeitliches Gebrauchsende noch im späten 2. Jahrhundert vor und bezeichnete die vorhandenen Kniefibeln als Altstücke326. Entgegen seiner These kann jedoch durchaus von einer Verwendung der Form Jobst 12 bis wenigstens in das frühe 3. Jahrhundert ausgegangen werden, wie unter anderem ein Exemplar der Variante Jobst 12A von Michlhallberg zeigt327. Das Fragment einer zweigliedrigen Spiralfibel (Nr. F39) lässt sich aufgrund des charakteristischen Fibelkopfes dem Typ Jobst 12E/Riha 4.11 zuordnen. Auf der facettierten Spiralhülse setzt der flache Bügel mit einem volutenartig eingerollten Kopfteil an, der durch einen Sporn vom Fußteil getrennt wird328. Das Exemplar aus Pons Aeni ist der Variante 2 (mit längsgestelltem Nadelhalter) oder 3 (mit quergestelltem Nadelhalter) nach Gugl zuweisbar. Diese unterscheiden sich von der Variante 1 (mit nierenförmiger oder ovaler Bügelaussparung) durch einen zurückgebogenen, volutenartig eingerollten Kopf329. Die vor allem in Noricum und Nordwestpannonien verbreitete Form, die wohl eine Variante der Kniefibeln darstellt, wurde vermutlich vom Ende des 2. bis in das erste Drittel des 3. Jahrhunderts getragen330. Nr. F40 ist typologisch mit der Form Jobst 12E Variante 3 eng verwandt, verfügt jedoch über eine Scharnierkonstruktion331. Während im obergermanisch-raetischen und im norischpannonischen Raum die Kniefibeln mit halbrunder Kopfplatte oder mit Hülsenspirale überwiegen, 319 Sedlmayer 1995, 48; Gugl 1995, 39. Fasold 1993, 25 Taf. 28,8. 321 BVbl. Beih. 5 (1992) 137 Abb. 89,5. 322 Sedlmayer 1995, 48 f.; Gugl 1995, 35; Buora 2003, 522. – Für eine längere Verwendung plädierten Grabherr 2001, 35 (bis Mitte 3. Jahrhundert) und Jobst 1975, 68 (bis an die Wende 3./4. Jahrhundert). 323 Böhme 1972, 21; Jobst 1975, 61; Ortisi 2002, 36. 324 Saalburg und Zugmantel: Böhme 1972, 20–22 Taf. 8,418–441; Taf. 9,446–451. – Niederbieber: Gechter 1980, 593 Abb. 2,3.4. 325 Böhme 1972, 21. 326 Gechter 1980, 592. 327 Grabherr 2001, 35 (Die Kniefibel war mit einer Münzprägung der Julia Domna [196/202] vergesellschaftet). – Vgl. hierzu auch Jobst 1975, 61; Gugl 1995, 40; Ortisi 2002, 36; Buora 2003, 524. 328 Jobst 1975, 62; Riha 1979, 110; Gugl 1995, 39. 329 Gugl 1995, 39. 330 Ebd. 40; Jobst 1975, 62 f. – J. Garbsch ging von einer Datierung in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts aus (Garbsch 1990, 116). 331 Vgl. hierzu auch Exemplare bei Kovrig 1937, Taf. 39,3a-b.4. – Weitere Stücke aus Siscia: Koščević 1980, 20–23 Taf. 24,201. – Singidunum: Bojović 1983, 173 Taf. 27,264–266. 320 30 scheinen Stücke mit Scharnierkonstruktion vor allem im unteren Donaugebiet verbreitet gewesen zu sein332. Hierzu ist auch eine weitere Kniefibel aus Pons Aeni (Nr. F41) zu zählen, zu der Parallelen in Siscia und Singidunum bekannt sind333. Entsprechend der Datierung des Typs Jobst 12E wird für die Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion und ihre Varianten ebenfalls von einer Gebrauchszeit vom Ende des 2. bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts ausgegangen334. Auch für Nr. F48, eine Fibel mit Röhrenscharnierkonstruktion, finden sich die meisten Vergleichsstücke im unteren Donauraum335. D. Popescu ging aufgrund der vermuteten typologischen Verwandtschaft zu den Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion von einer Datierung in das ausgehende 2. Jahrhundert aus336. Einen chronologischen Hinweis bietet eine Scharnierfibel aus Komplex 7 der Wohnterrassen in Teurnia, die mit Münzen des Antoninus Pius bis Septimius Severus vergesellschaftet war337. Somit ist eine Verwendung bis in das frühe 3. Jahrhundert durchaus in Erwägung zu ziehen. Generell wird für die Gruppe der Kniefibeln in der Forschung aufgrund des massierten Vorkommens in militärischen Anlagen und des „serienartigen Charakters“338 eine Verwendung als sog. Soldatenfibeln vermutet339. Da mittlerweile jedoch eine signifikante Menge von Kniefibeln aus zivilen Siedlungen und Gräberfeldern bekannt ist, muss diese These wohl relativiert werden340, da außer Soldaten natürlich auch Zivilisten als Träger der Fibelform in Betracht zu ziehen sind. Spiralfibel mit nierenförmig durchbrochener Kopfplatte (Böhme 22/Riha 3.13; Abb. 17, Nr. F44) Die Form Böhme 22a/Riha 3.13.2 mit einer gekerbten Mittelrippe auf dem halbkreisförmig gebogenen Bügel341 ist in Pons Aeni mit Nr. F44 einmal vertreten. Böhme beobachtete bereits ein vermehrtes Vorkommen dieser Fibeln in den Kastellen und zugehörigen Vici am obergermanisch-raetischen 332 Kovrig 1937, 121 f.; Gugl 1995, 40; Grabherr 2001, 33; Ortisi 2002, 50. Koščević 1980, 20–23 Taf. 24,194; Bojović 1983, 173 Taf. 33,216–222; Taf. 24,223–225. – Im Nationalmuseum Bukarest finden sich ebenfalls Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion: Popescu 1945, 492–494 Abb. 5,51–53. 334 Aus dem Gräberfeld von Viminacium stammen zwei Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion, die mit Münzen des Marcus Aurelius bzw. der Lucilla vergesellschaftet waren (L. Zotović/Č. Jordović, Viminacium Nekropole „Više Grobalja“ [Belgrad 1990] Taf. 149,8; Taf. 187,2). – Zu einer Verwendung bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts s. Garbsch 1990, 116; Gugl 1995, 40. – S. Ortisi möchte das Vorhandensein dieser Fibelform in Burghöfe mit der Stationierung von Truppendetachements, die aus dem Donauraum stammen oder dort operierten, in Zusammenhang bringen (Ortisi 2002, 50). 335 Vgl. hierzu die Exemplare im Nationalmuseum Bukarest: Popescu 1945, 489 f. Abb. 3,26–31. – Singidunum: Bojović 1983, 173 Taf. 17,150–154. – Eine Fibel mit Scharnierkonstruktion aus dem Vicus von Sulz ist möglicherweise ebenfalls diesem Typ zuzurechnen (vgl. S. Rieckhoff-Pauli, Die Fibeln aus dem römischen Vicus von Sulz am Neckar. Saalburg-Jahrb. 34, 1977, 12 Abb. 2,21). 336 Popescu 1945, 490. 337 Ch. Gugl, Archäologische Forschungen in Teurnia. Die Ausgrabungen in den Wohnterrassen 1971–1978. Die laténezeitlichen Funde vom Holzer Berg. Österr. Arch. Inst. Sonderschr. 33 (Wien 2000) 240–242 Taf. 38,1–4.5. 338 Gugl 1995, 35. 339 Böhme 1972, 19; Gugl 1995, 35; Jütting 1995, 156; Luik 1996, 133. 340 Gugl 1995, 57. – Zur Produktion von Kniefibeln an zivilen Plätzen zuletzt Gschwind 1997, 624–628. – Zu Kniefibeln aus zivilen Kontexten s. auch Reuter 2005, 200 mit Anm. 78. 341 Böhme 1972, 22; Riha 1979, 86. 333 31 Limes342. Ihre Annahme, dass dieser Typ schon gegen Ende des 2. Jahrhunderts nicht mehr in Gebrauch war343, kann mittlerweile als widerlegt gelten. Fibeln der Form Böhme 22 aus dem Kastell Niederbieber belegen vielmehr eine Verwendung noch im ausgehenden 2. Jahrhundert344. Eine Fibel Böhme 22e/Riha 3.13.3 aus Lopodunum/Ladenburg stammt aus einem mit Bauschutt verfüllten Keller345, aus dem auch ein 246 geprägter Antoninian des Philippus I. vorliegt346. Aus einem Steinkeller im Vicus von Nida-Heddernheim, der in die Periode IIIA/B (200/220–250/260347) datiert wird, liegt ebenfalls eine Fibel Böhme 22 (verm. Variante a) vor348. Fasold bezeichnete den Typ als charakteristische Soldatenfibel und zog das Exemplar als weiteren Beleg einer militärischen Präsenz im Vicus heran349. Da auch die typologisch eng verwandten Fibeln des Typs Böhme 23 mit peltaförmiger Kopfplatte mittlerweile über die Wende zum 3. Jahrhundert350 hinaus noch in Fundzusammenhängen bis Mitte des 3. Jahrhunderts nachgewiesen werden können351, darf aufgrund der oben dargestellten Fundzusammenhänge auch eine Verwendung der Form Böhme 22/Riha 3.13 bis in das erste Drittel oder sogar um die Mitte des 3. Jahrhunderts angenommen werden. Spiralfibeln mit gegabeltem Bügel (Böhme 26 und 27; Abb. 17, Nr. F45–F47) Nr. F45 ist wohl zu der Variante Böhme 26 b zu zählen. Die Spiralhülse des vergoldeten Exemplars352 weist noch Spuren des abgebrochenen Mittelknopfes auf. Die im Querschnitt dreieckigen Bügelarme werden durch eine Profilierung vom dachförmigen Fuß mit abgerundetem Ende getrennt353. Nr. F46 ist aufgrund der halbrunden Kopfplatte mit gezacktem Rand und scharf umbiegendem Bügel möglicherweise als weitere Variante der Form Böhme 26c (mit rechteckiger Kopfplatte und gezacktem Rand) zuzuweisen. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das Stück zu den typologisch eng verwandten Kniefibeln mit doppeltem Bügel354 gehört, da die Fibeln Böhme 26 in der Böhme 1972, 22. – Vgl. hierzu auch die Exemplare bei: A. Böhme, Die Fibeln des Kastells am Kleinen Feldberg (Hochtaunuskreis). Saalburg-Jahrb. 31, 1974, 6 Abb. 1,7–12; Simon 1968, 24 Abb. 9,7. – Aus der Colonia Ulpia Traiana/Xanten liegen ebenfalls mehrere Exemplare vor: Boelicke 2002, 77–79 Taf. 32,715–723. 343 Böhme 1972, 22 f. 344 Gechter 1980, 592; Simon 1968, 24; Boelicke 2002, 77 f. – Die Fibel Böhme 22a/Riha 3.13.2 aus Augst war mit Keramik der Mitte/späten 2. Jahrhunderts bis Anfang 3. Jahrhundert vergesellschaftet (vgl. Riha 1979, 86). 345 Schmidts 2004, 21 Tab. 2 (A36); Taf. 3,A36. – Zur Einteilung der Parzellen und Phasen siehe Kaiser/ Sommer 1994, 36–42; 161–171. 346 Kaiser/Sommer 1994, 301 Tab. 58,118. – Allerdings wollte Th. Schmidts nicht ausschließen, dass es sich bei der Fibel um ein Altstück handelt (Schmidts 2004, 21). 347 P. Eschbaumer in: Fischer u.a. 1998, 405 f. Tab. 33. 348 Fischer u.a. 1998, 178 f. Abb. 119,1. 349 P. Fasold in: Fischer u.a. 1998, 303. 350 Böhme 1972, 23. 351 Mackensen 1983, 575. – Vgl. auch zwei Fibeln aus Großprüfening aus dem Erdkeller/Grube 15: Fischer 1990, 188–190 Taf. 66,F1.3. – Die Verfüllung des Erdkellers wird mit der Zerstörung des Vicus nach 243 in Verbindung gebracht (ebd. 185). 352 Ein vergoldetes Exemplar liegt auch von der Saalburg vor (Böhme 1972, 25 mit Anm. 158; Taf. 14,634). 353 Böhme 1972, 25. – Eine Vergoldung war wohl eher die Ausnahme, häufiger kam eine Verzinnung vor (ebd. 25; Riha 1979, 109). Ob man aufgrund dessen und der Ansprache als Soldatenfibel einen Offizier als Träger annehmen kann, sei dahingestellt (vgl. hierzu Fischer 1988, 174 f.; Petculescu 1991a, 210 f.). 354 Gugl 1995, 36 f.; Ettlinger 1973, 164 (Typ 6.2.). – Allerdings verfügt das Exemplar aus Pons Aeni im Gegensatz zu den bei Ettlinger aufgeführten Stücken mit Scharnierkonstruktion über eine Spiralkonstruktion. 342 32 Regel nur über halbrunde Bügel verfügen355. Auch die Fibel mit dreieckiger Kopfplatte, gegabeltem Bügel und dachförmigem Fuß Böhme 27 (Nr. F47) weist typologische Gemeinsamkeiten zu den oben genannten Stücken auf. Die Formen Böhme 26 und 27 waren hauptsächlich im ausgehenden 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Gebrauch. Eine Verwendung bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts lässt sich aufgrund eines Exemplars aus einem verfüllten Keller im Vicus von Großprüfening postulieren356. Da dieser Fibeltyp überwiegend von militärischen Plätzen bekannt ist, wird auch hier eine Verwendung als Mantelfibel von Soldaten angenommen357. Scharnierarmfibeln (Böhme 28; Abb. 17, Nr. F49–F50) Zwei Fibeln (Nr. F49–F50) gehören zur Gruppe der Scharnierarmfibeln des Typs Böhme 28. Nr. F49 ist der Variante Böhme 28l zuzuordnen, deren Bügelende mit einem Silberdraht umwickelt war358. Scharnierarmfibeln gelten als typische Soldatenfibeln des 3. Jahrhunderts359. Gechter schloss aus dem Vorkommen dieses Typs in Niederbieber und dem Fehlen in dem um 233 n. Chr. zerstörten Vicus von Heldenbergen360 auf ein spätes Aufkommen der Scharnierarmfibeln erst im zweiten Drittel des 3. Jahrhunderts361. M. E. kann das Fehlen einer als Soldatenfibel angesprochenen Form in einem zivilen Kontext jedoch nur sehr bedingt als Datierungsgrundlage herangezogen werden. Aus nachlimeszeitlichen Fundzusammenhängen liegen kaum noch Scharnierarmfibeln vor362, weswegen mit einer allmählichen Ablösung durch die spätrömischen Zwiebelknopffibeln im Verlauf des letzten Drittels des 3. Jahrhunderts gerechnet werden muss363. Zwei Scharnierarmfibeln aus dem Straßenkampfhorizont in Augst zählen zu den jüngsten Exemplaren dieses Typs364. 355 Vgl. die bei Böhme aufgeführten Exemplare: Böhme 1972, 24 f. Taf. 14,614–637; Taf. 15,639–654. S. Anm. 352 und Fischer 1990, 188 (Befund 12.16.12); Taf. 66,F2. – Vgl. hierzu jedoch auch eine Fibel Böhme 26 aus South Shields, die dem Ende der Periode 8 (spätes 4. Jahrhundert) zugewiesen wird. Im gleichen Zuge wird die Datierung einer entsprechenden Fibel aus dem Lager Carpow von M. Snape in Zweifel gezogen und mit einer möglichen jüngeren Nachnutzung im späten 3. Jahrhundert in Zusammenhang gebracht (P. Bidwell/S. Speak, Excavations at South Shields Roman Fort Vol. 1. Soc. Ant. Newcastle upon Tyne Monogr. Ser. 4 [Newcastle 1994] 138–141 [ Nr. 15075]; 177 [ Nr. 15075]; Abb. 7.1.2). Während es sich bei dem Stück aus South Shields um ein Altstück handeln kann, legte Snape keinerlei Beweise für ihre These der jüngeren Datierung der Fibel aus Carpow vor. Dementsprechend kann aus beiden Fibeln bislang nicht auf eine generelle Verwendung bis in das späte 3. oder gar 4. Jahrhundert geschlossen werden. 357 Böhme 1972, 25. 358 Ebd. 27. 359 Ebd.; Mackensen 1983, 569 f.; Fasold 1990, 601; Faber 1994, 143; P. Fasold in: Fischer u.a. 1998, 303; Gschwind 2004, 190. 360 M. Gechter geht davon aus, dass das Fehlen der Scharnierarmfibeln als repräsentativ für die Zeit vor 230 angesehen werden kann (Gechter 1980, 590–610 bes. 610; M. Gechter in: Czysz 2003, 207–209). – W. Zanier sprach sich jedoch für einen allgemeinen Beginn der Fibelform schon in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts aus (Zanier 1992, 112). 361 Gechter 1980, 610. – Für einen schwerpunktmäßigen Gebrauch im mittleren Drittel des 3. Jahrhunderts plädiert auch P. Fasold (Fasold 1990, 601). 362 Mackensen 1983, 570 mit Anm. 24; Faber 1994, 143. 363 P. Fasold in: Fischer u.a. 1998, 303. – Ph. Pröttel geht von einem Aufkommen der ältesten Zwiebelknopffibeln vom Typ Keller/Pröttel 1 bereits um 260 aus (Pröttel 1988, 352 f.). – Zur Entwicklung der Zwiebelknopffibeln aus den mittelkaiserzeitlichen Scharnierarmfibeln siehe Pröttel 1988, 350–353; Ettlinger 1973, 171; Fasold 1990, 601 f. 364 Martin-Kilcher 1985, 180 Abb. 23,2.3. 356 33 Zwiebelknopffibeln (Abb. 18, Nr. F51–F72) Aus dem Vicusbereich liegen insgesamt 22 Fragmente von Zwiebelknopffibeln (Nr. F51–F72) vor. Nr. F51 und F52 sind dem Typ Keller/Pröttel 1 zuzuweisen. Nr. F51 kann aufgrund der im Querschnitt sechseckigen Querarme ohne Aufsätze als Variante A angesprochen werden365. Dieser überwiegend aus Bronze gegossene Fibeltyp kommt wesentlich seltener auch in Silber vor366. Umso erstaunlicher ist es, dass mit Nr. F52 ein massiv silbernes Exemplar aus Pons Aeni vorliegt. Das Fußfragment ist auf der Oberseite mit dreieckigem Niellodekor verziert, der Bügelansatz ist mit Silberdraht umwickelt. Eine vergleichbare silberne Fibel aus einer Körperbestattung in Leuna wurde von J. Werner den späten Scharnierarmfibeln Böhme Typ 28 zugeordnet367. Entgegen Werners Zuordnung zu den späten Scharnierarmfibeln ordnete Pröttel diese Formen jedoch bereits den Zwiebelknopffibeln Typ Keller/Pröttel 1 zu368. Aufgrund einer beigegebenen Münze des Tetricus I.369 ergibt sich für die Bestattung ein terminus post quem von 270/273. Werner sah in der silbernen Fibel ein Rangabzeichen370 und vermutete als Träger einen Offiziers in römischen Diensten371. Entsprechende Parallelen für die Fibel stammen aus Schaprode auf Rügen, Pécs (Ungarn, mit Antoninianen des Probus, 276–282, und Carinus, 283–285, vergesellschaftet), und aus zwei Bestattungen in Prostea Mica und Potaissa (beide Rumänien)372. Aus einem spätrömischen Grab in Aquincum liegt eine Zwiebelknopffibel Typ Keller/Pröttel 1B vor, deren Bügel und Fuß mit dreieckigem Niellodekor verziert ist373. Die Bestattung wurde von A. Burger in tetrarchische Zeit datiert374. Pröttel ging davon aus, dass dieser Fibeltyp zwischen 280 und 320 verwendet wurde, wobei älteste Exemplare schon um 260 produziert worden sein sollen375. Als Träger von Zwiebelknopffibeln werden Soldaten oder höhere Beamte angenommen. Während bei den mittelkaiserzeitlichen „Soldatenfibeln“ nur Funde aus militärischen Anlagen diese These stützen, können für die spätrömischen Zwiebelknopffibeln auch bildliche Darstellungen als Indiz herangezogen werden376. Dennoch finden sich immer wieder Exemplare in zivilen Kontexten, die nicht mit der Anwesenheit von Militär oder Beamten erklärt 365 Pröttel 1988, 349; Keller 1971, 32. Pröttel 1988, 349. 367 Werner 1989, 124 Abb. 2.1; 125 f.; Konrad 1997, 56. 368 Pröttel 1988, 350 mit Anm. 34. 369 Werner 1989, 123 f. 370 So sah auch Th. Fischer Scharnierarmfibeln aus Edelmetall als Bestandteil der Offizierstracht an (Fischer 1988, 174). – Vgl. dagegen überzeugend Petculescu 1991a, 210 f. 371 Werner 1989, 132. 372 Schaprode: Schach-Dörges 1970, 239 (Nr. 196) Taf. 102,1. – Pécs: F. Fülep, Roman Cemeteries on the territory of Pécs (Sopianae). Font. Arch. Hung. (Budapest 1977) 32 (Grab R/170) Taf. 17,2. – Prostea Mica: K. Horedt, Eine spätrömische Fingerringform. Arch. Korrbl. 3, 1973, 228 Abb. 1,5. – Potaissa: Bărbulescu 1994, 177–179 Abb. 37,6. 373 Burger 1984, 81 Abb. 4,1. 374 Ebd. 81. – Vgl. zu dem Grabfund auch Fischer 1988, 177. – Zwei Münzen geben für das Grab einen terminus post quem von 287 n. Chr. (ebd.). 375 Pröttel 1988, 352 f. – Ph. Pröttel rechnet vor allem Zwiebelknopffibeln des Typs Keller 1 in Edelmetall zu den älteren Stücken vor 300 n. Chr. Zur Datierung vgl. auch Konrad 1997, 56. – Kritisch zu dieser frühen Anfangsdatierung: W. Zanier, Ein spätrömischer Werkplatz in Bellenberg? BVbl. 56, 1991, 125–150 bes. 138. – Weitere Grabfunde, die die von Ph. Pröttel vorgeschlagene Datierung stützen, zusammengefasst bei Gschwind 2004, 193. 376 Gschwind 2004, 190 mit Anm. 824 u. 829. 366 34 werden können377. Gschwind folgerte daher aus einem quantitativen Vergleich des Vorkommens dieses Fibeltyps in zivilen Siedlungen und militärischen Anlagen, dass „Zwiebelknopffibeln wahrscheinlich zur regulären Ausstattung eines Soldaten gehörten, während sie im zivilen Bereich nur vereinzelt getragen wurden.“378 Vier Fibeln (Nr. F53–F56) lassen sich der jüngeren Form Keller/Pröttel 2 zuweisen. Der Fuß der Zwiebelknopffibel Nr. F53 entspricht der Variante B mit trapezförmigem Umriss und einer Kombination aus linearem Dekor und Kreisgruben379. Von Nr. F54 bis F56 sind nur noch jeweils ein facettierter Zwiebelknopf, bei Nr. F54 mit Ansatz des Querarmes mit Aufsatz, erhalten. Pröttel stützt seinen Datierungsansatz von 300 bis etwa 340 für den Typ Keller 2 vor allem auf die sog. Kaiserfibeln und Grabfunde der tetrarchischen Zeit380. Insgesamt zwölf der 22 Fragmente (Nr. F60–F71) können als Typ Pröttel 3/4 angesprochen werden. Von Nr. F60 ist der langrechteckige Fibelfuß mit Paaren von Doppelvoluten vorhanden, die charakteristisch für Exemplare der Variante C sind381. Nr. F61–F71 sind nur noch als Zwiebelknöpfe erhalten, können jedoch eindeutig dem Typ Pröttel 3/4 zugewiesen werden. Pröttel setzte ein Aufkommen des Typs 3/4 ab 330 an und ging entgegen der These Kellers382 von einer Gebrauchszeit bis um 400 n. Chr. aus383. Das jüngste Exemplar ist eine Zwiebelknopffibel des Typs Keller/Pröttel 6 (Nr. F72). Der kurze halbkreisförmige, hohle Bügel mit spitzdreieckigem Querschnitt weist Reste einer Vergoldung auf. Auf den Querarmen sind noch die gegliederten Aufsätze erkennbar. Insbesondere der spitzdreieckige Bügelquerschnitt ist charakteristisch für Exemplare der Form Keller/Pröttel 6384. Der Fuß war wohl hülsenförmig ausgeformt385. Zwiebelknopffibeln des Typs 6 sind bislang in Raetien nur aus Abusina/Eining, Castra Regina/Regensburg, Submuntorium/Burghöfe, Piniana/Bürgle bei Gundremmingen, Vemania/ Bettmauer bei Isny und aus Veldidena/Innsbruck-Wilten bekannt386. Mit Ausnahme von Veldidena 387 sind alle genannten Plätze, einschließlich Pons Aeni, in der Notitia Dignitatum als spätrömische Truppenstandorte aufgeführt388. Gschwind ging davon aus, dass Gschwind 2004, 191; Petculescu 1991a, 210. – Gegen eine Interpretation als ausschließlich von Soldaten bzw. hohen Beamten genutzte Fibel sprach sich im speziellen Fall der Zwiebelknopffibeln aus Grabfunden in Palaestina und Arabia auch H.-P. Kuhnen aus und schlug eine Interpretation der Fibeln als äußeres Zeichen von Privilegierung vor. Vgl. H.-P. Kuhnen, Zwiebelknopffibeln aus Palaestina und Arabia. Überlegungen zur Interpretation einer spätrömischen Fibelform. Zeitschr. Deutsch. Palästina-Verein 104/105, 1988/1989, 92–124 bes. 104–124. 378 Gschwind 2004, 191; Grabherr 2001, 43. 379 Pröttel 1988, 353. 380 Ebd. 353–357; Konrad 1997, 56 f. 381 Pröttel 1988, 359. 382 Keller 1971, 41. 383 Pröttel 1988, 359 Anm. 112; 363. – Dies wird durch den Befund einer Bestattung aus Andernach bestätigt, in der eine Zwiebelknopffibel Pröttel 3/4B mit einer Münze des Magnus Maximus (383/388) vergesellschaftet war (M. Brückner, Die spätrömischen Grabfunde aus Andernach. Arch. Schr. Inst. Vor- und Frühgesch. Mainz 7 [Mainz 1999] 104). – Jüngere Exemplare kommen laut Konrad noch bis in das erste Viertel des 5. Jahrhunderts vor (Konrad 1997, 57 mit Anm. 168). 384 Vgl. Pröttel 1988, 368 Abb. 8 (Typ 6). 385 Keller 1971, 52. 386 Zusammengefasst bei Gschwind 2004, 195 mit Anm. 856. – Vgl. auch Pröttel 1988, 371. 387 Zu der Problematik des Fehlens von Veldidena/Innsbruck-Wilten in der Notitia Dignitatum zuletzt Mackensen 1994, 511. 388 Gschwind 2004, 195. 377 35 Zwiebelknopffibeln des Typs 6 „in kaiserlichem Auftrag hergestellt und ausgewählten Funktionsträgern verliehen wurden“389. Ob man in Pons Aeni nun mit einem hohen Zivilbeamten als Träger rechnen kann390 oder aber einem Offizier der in der Notitia Dignitatum genannten Einheit der Equites stablesiani iuniores, lässt sich nur vermuten. Fibeln des Typs 6 treten erst um 400 auf und wurden vor allem in der ersten Hälfte bis möglicherweise ins mittlere Drittel des 5. Jahrhunderts getragen391. Armbrustfibel (Abb. 18, Nr. F73) Das Fragment einer zweigliedrigen Spiralfibel (Nr. F73) kann der Gruppe der Armbrustfibeln zugeordnet werden392. Der im Querschnitt leicht facettierte Bügel erinnert an den Typ Riha 3.9 mit dreieckigem Fußzuschnitt393. Ein vergleichbarer Bügelquerschnitt findet sich auch bei einer Armbrustfibel aus dem Vicus von Jagsthausen, zwei Exemplaren aus Burghöfe, einer Fibel aus Köngen und vom Runden Berg bei Urach wieder, die ebenfalls, im Gegensatz zu den charakteristischen süddeutschen Armbrustfibeln mit Strichdekor, unverziert sind394. Keller zählte diese Armbrustfibeln zu seinen Varianten 4a und b, die sich durch unterschiedliche Nadelhalterkonstruktionen unterscheiden395. R. Koch nahm an, dass Armbrustfibeln mit massivem Bügel schwerpunktmäßig im süddeutschen Raum auftreten, wo sie bis in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts vorkommen396. Keller datierte den Typ 4a in die Zeitstufe C1b (erste Hälfte bis beginnende zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts), Typ 4b wurde den Stufen C2 und C3 zugewiesen (zweite Hälfte 3. bis beginnende zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts)397. Auch M. Schulze postulierte ein Aufkommen im frühen 3. Jahrhundert und eine Verwendung bis in das frühe 5. Jahrhundert398. Pröttel verwies jedoch auf Armbrustfibeln aus Kastellen und Vici, die nach dem Limesfall nicht mehr bestanden hätten und dementsprechend einen terminus ante quem von 260 für das Aufkommen der Fibelform liefern würden399. Gschwind bringt die Fibeln mit der alamannischen Landnahme in Gschwind 2004, 196. – Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass man von bildlichen Darstellungen der Zwiebelknopffibeln wie dem Elfenbeindiptychon des Stilicho oder dessen Sohn Eucherius nicht auf das Material der Exemplare schließen kann (vgl. zu der Darstellung: R. Delbrueck, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler. Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 2 [Berlin, Leipzig 1929] 242–248 bes. 243 Abb. 1). – Möglicherweise wurden nur die aus purem Gold gearbeiteten Stücke als kaiserliche Auszeichnung verliehen. 390 Versorgungsbasen wie Innsbruck-Wilten, Schaan, auf dem Goldberg, dem Lorenzberg oder Pons Aeni unterstanden laut M. Mackensen der Zivilverwaltung (Mackensen 1999, 237). Dementsprechend sollte mit der Anwesenheit zumindest eines hohen Zivilbeamten gerechnet werden. 391 Pröttel 1988, 371. 392 Vgl. Böhme 1972, 33–35. 393 Riha 1979, 83. – Vgl. hierzu auch die Exemplare vom Runden Berg bei Urach (Koch 1984, 23 f. Taf. 2,1; R. Christlein, Der Runde Berg bei Urach III. Heidelberg. Akad. Wissensch. 4 [Heidelberg 1979] 8 Taf. 1,3), die, wie ein Halbfabrikat belegt, vor Ort hergestellt wurden (R. Christlein, Der Runde Berg bei Urach I [Heidelberg 1974] 42 [Nr. 49]; Taf. 10,2). 394 Jagsthausen: Koch 1974, 235 Abb. 3,7. – Burghöfe: Pröttel 2002, 98 f. Taf. 5,58.59. – Köngen: Luik 1996, 136 Taf. 43,8. – Runder Berg: Koch 1984, 23 f. Taf. 2,1 (Verzierung nur auf Fuß). 395 Keller 1974, 252–255 Abb. 1,4a; 2,4b. 396 Koch 1974, 235 f.; Schulze 1977, 101 f. 397 Keller 1974, 252–262; 264 (Datierung der Zeitstufen). 398 Schulze 1977, 102. 399 Pröttel 2002, 99 mit Anm. 58. 389 36 Verbindung400. Als Bestandteile germanischer Tracht sind sie überwiegend aus Frauengräbern bekannt401. Bügelknopffibeln (Abb. 18, Nr. F74–F75) Nr. F74 besteht aus einem halbkreisförmig aufgewölbten Bügel mit hochdreieckigem Querschnitt und Punzdekor, während der Fibelfuß mit Querrillen verziert ist. Der charakteristische Knopf ist flachkugelig, wodurch die Fibel der Serie II Var. 2 nach E. Meyer zugeordnet werden kann402. Der Fuß mit Bügelansatz Nr. F75 ist möglicherweise ebenfalls zu den Bügelknopffibeln zu rechnen. Zanier datierte eine Bügelknopffibel aus dem Kastell Ellingen aufgrund der typologischen Nähe zu den limeszeitlichen Scharnierarmfibeln in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts403. Das Vorkommen in den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes wertete auch Meyer als Hinweis auf eine Verwendung schon um die Mitte bzw. gegen Ende des 3. Jahrhunderts404. Meist wird jedoch von einer späteren Zeitstellung ausgegangen. Böhme sah in den Bügelknopffibeln das germanische Äquivalent zu den römischen Zwiebelknopffibeln und rechnete mit einer Gebrauchszeit im 4. und 5. Jahrhundert405. Riha schloss sich dieser Annahme an, ging jedoch von einem Schwerpunkt im 4. Jahrhundert aus406. Pröttel folgerte aus dem überwiegenden Vorkommen in Männerbestattungen der Germania magna und entsprechender Zuordnung zur germanischen Tracht407, dass die Bügelknopffibeln und Armbrustfibeln aus Burghöfe auf die Anwesenheit einer alamannisch-juthungischen Bevölkerungsgruppe hinweisen könnten408. Es scheint jedoch fraglich, ob die wenigen Exemplare aus Pons Aeni eine ähnliche Interpretation zulassen. Platten- und Scheibenfibeln (Abb. 19, Nr. F76–F91) Dieser Gruppe können aus Pons Aeni die Email- (Nr. F76–F79), Rahmenscheiben- (Nr. F80–F83), Tier- (Nr. F84–F85), gegenständlichen (Nr. F86), durchbrochenen (Nr. F87–F89) sowie hakenkreuzförmigen Fibeln (Nr. F90–F91) zugewiesen werden. Die Emailfibel Nr. F76, bestehend aus einer rhombischen Platte mit Mittelzier und Backenscharnierkonstruktion, kann als tutulusähnliche Fibel des Typs Riha Typ 7.11/Exner Gruppe III angesprochen werden409. Das hier vorliegende Exemplar gehört zur Variante 11 mit stufenförmig aufgebauter Grundplatte und zentraler Emaileinlage 400 Gschwind 2004, 200 f. Vgl. hierzu R. Koch, Die Tracht der Alamannen in der Spätantike. In: ANRW II, 12.3 (Berlin/New York 1985) 456–545 bes. 462; 505. 402 Meyer 1960, 227 f. 403 Zanier 1992, 112 f. 404 Meyer 1960, 234 f. 405 Böhme 1972, 36. 406 Riha 1979, 84; Schach-Dörges 1970, 68; Pröttel 2002, 95–98. 407 Schach-Dörges 1970, 67 f.; Konrad 1997, 58. – Ph. Pröttel weist die Variante Gerlachsheim hingegen der Frauentracht zu (Pröttel 2002, 98). 408 Pröttel 2002, 131. 409 Riha 1979, 186–188; Exner 1939, 59–68. – M. Feugère zählt entsprechende geometrische, rautenförmige Exemplare zu seinem Typ 26d1 (Feugère 1985, 357). 401 37 in einer rhombischen Bronzeeinfassung410. Die Emaileinlage besteht aus grüner Glaspaste, in die ursprünglich fünf schwarze Tropfen eingelassen waren. Zusätzlich sind die Ränder der Stufen mit Kerbdekor verziert. Entsprechende Parallelen aus Augst waren mit Keramik der zweiten Hälfte des 1. bis 3. Jahrhunderts und Münzen des Trajan bis Commodus vergesellschaftet411. Diese Fibeln treten vor allem in Nord- und Ostgallien gehäuft auf412 und werden allgemein dem 2. Jahrhundert zugeordnet413. Drei weitere Emailscheibenfibeln (Nr. F77–F79) lassen sich dem Typ Böhme 41/Exner Gruppe III zuweisen. Nr. F77 entspricht der Variante y nach Böhme, bei der Bronzestifte die Emaillierung auf der runden Grundplatte begrenzen414. Die Variante z mit einer schachbrettartigen Millefiorieinlage wird in Pons Aeni durch Nr. F78 und F79 vertreten415. Emailscheibenfibeln der Form Böhme 41 sind reichsweit bekannt416. Böhme datierte diese Fibeln überwiegend in das 2. Jahrhundert, rechnete aber damit, dass Exemplare mit schachbrettartiger Millefiorieinlage noch bis ins 3. Jahrhundert in Gebrauch blieben417. S. Ortisi ging von einer Verwendung von der Mitte des 2. bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts aus418. Vier zweigliedrige Scheibenfibeln mit Randleiste und Spiralkonstruktion (Nr. F80–F83) können den Rahmenscheibenfibeln Typ Böhme 44a/Riha 3.14419 zugeordnet werden. Die dekorative Pressblechauflage ist in keinem Fall erhalten. Nr. F80 weist jedoch Reste einer Verzinnung auf. Auf der Oberseite ist aufgrund der fehlenden Einlage ein Loch erkennbar, welches von der Bearbeitung auf der Drehbank stammt420. F81 und F83 weisen noch Reste einer Spiralkonstruktion mit unterer Sehne auf. F80 und F81 können dem Typ 2a nach M. Mackensen zugewiesen werden, während F82 und F83 dem Typ 2b entsprechen421. Die Fibeln lassen sich vor allem am obergermanisch-raetischen Limes nachweisen, was Mackensen dazu veranlasste, eine Produktion in Werkstätten der Provinzen Germania superior bzw. Raetia anzunehmen422, wo sie wohl von der Mitte 410 Riha 1979, 187. Ebd. 187 f. – Weitere Exemplare liegen aus Remchingen (G. Wieland, Ausgrabungen im Vicus Senotensis, Remchingen-Wilferdingen, Enzkreis. Arch. Ausgrabungen Baden-Württemberg 2001, 2002, 115 Abb. 94 [Mitte, rechts]) und Köngen (Luik 1996, 135 Taf. 40, 12) vor. 412 Allerdings finden sich reichsweit vereinzelte Exemplare (vgl. Riha 1979, 186). 413 Riha 1979, 186 (spätes 1.–Anfang 3. Jahrhundert); Luik 1996, 135; Ortisi 2002, 40. 414 Böhme 1972, 38; Exner 1939, 62. – Zu den Email- und Glaseinlagen s. Riha 1979, 29–34. 415 Böhme 1972, 38; Riha 1979, 189–191(Typ 7.14). 416 Zur Verbreitung s. Böhme 1972, 38. – Vgl. hierzu beispielsweise auch weitere Millefiorifibeln mit schachbrettartigem Muster aus Xanten (Boelicke 2002, 81 f. Taf. 33,740), Burghöfe (Ortisi 2002, 41 [Typ 21n]), Augst (Riha 1979, 189–191 Taf. 62,1623.1624), Regensburg-Kumpfmühl (Faber 1994, 143 Beilage 4A,17), Virunum (Gugl 1995, 44 Taf. 19,140), Weßling-Frauenwiese (H. Bender, Die römische Siedlung von WeßlingFrauenwiese. Passauer Schr. Arch. 7 [Rahden 2002] 148 [Nr. 17] Taf. 11,17) oder South Shields (AllasonJones/Miket 1984, 116–118 Abb. 142). 417 Böhme 1972, 38. 418 Ortisi 2002, 41; Riha 1979, 190. – Neben den Fibeln mit Millefioriverzierung gibt es auch Gürtelbeschläge mit schachbrettartiger Millefioriverzierung, die dem letzten Drittel des 2. Jahrhunderts zugewiesen werden (Ch. Flügel u.a., Römische Cingulumbeschläge mit Millefiorieinlagen. Arch. Korrbl. 34, 2004, 531–545 bes. 540). 419 Böhme 1972, 42; Riha 1979, 86 f. 420 Mackensen 1973, 65. 421 Ebd. 422 Ebd. 68. – Vgl. hierzu auch die Anmerkung bei H. Jandrasits, der davon ausgeht, das Scheibenfibeln mit Pressblechauflage auf dem Handelsweg in das niederöstereichische Donaugebiet kamen (H. Jandrasits, Scheibenfibeln mit Pressblechauflage. Röm. Österreich 23/24, 2000–2001, 41–45 bes. 45). 411 38 bis in die zweite Hälfte des 2., möglicherweise auch noch bis in das 3. Jahrhundert getragen wurden423. Eine Fibel aus Martigny bestätigt die Verwendung dieser Form bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts424. Nr. F84 zählt zu den emailverzierten Tierfibeln. Es handelt sich um eine Hahnenfibel des Typs Feugère 29a425, bei der Auge, Körper und Gefieder mittels Emaileinlage hervorgehoben sind. Auf der Rückseite sind das Backenscharnier mit Resten einer eisernen Nadel und der Nadelhalter erhalten. Vergleichbare Exemplare stammen beispielsweise aus Martigny, Xanten oder Siscia 426. Während M. Feugère von drei unterschiedlichen Werkstattkreisen ausging427, vermutete E. Riha eine Produktion anhand von Vorlagen oder Musterexemplaren, nach denen die stereotypen Tierfibeln massenhaft hergestellt und in alle Provinzen verhandelt wurden428. Emailverzierte Tierscheibenfibeln kamen ab dem späten 1. oder frühen 2. Jahrhundert in Gebrauch und dürften überwiegend dem 2. Jahrhundert angehören429. In Augst liegen entsprechende Fibeln noch aus Schichten des 3. Jahrhunderts vor430. So sprach sich auch Feugère für einen Gebrauch seiner Form 29 bis in die zweite Hälfte oder sogar das späte 3. Jahrhundert aus431. Ebenfalls zur Gruppe der Tierfibeln ist die Reiterfibel Nr. F85 zu zählen. Das Exemplar aus Pons Aeni entspricht dem Typ 29 C nach Jobst, bei dem ein Pferd in der Trabbewegung mit Reiter dargestellt ist432. Während die Vorderseite eine halbplastische Darstellung des Reiters auf dem Pferd mit einer Hand an den Zügeln und wehendem Mantel zeigt, sind auf der flachen Rückseite der Fibel die Reste der eisernen Spiralkonstruktion und der Nadelhalter erkennbar. Zwei nahezu identische Stücke stammen aus einem Quellopferfund in Bad Pyrmont und aus der römischen villa rustica bei Thalmassing433. Funde aus Lauriacum legen eine Verwendung im 3. Jahrhundert nahe434. Eine Scheibenfibel (Nr. F86) mit ovaler, gewölbter Grundplatte mit spindelförmiger zentraler Erhebung und Spiralkonstruktion kann als Variante den 423 Mackensen 1973, 68; Riha 1979, 87; Sedlmayer 1995, 63. Rey-Vodoz 1986, 160 (Nr. 86) Taf. 6,86–88. – Die Fibel war in dem Fundkomplex mit Münzprägungen des Septimius Severus und Severus Alexander vergesellschaftet (vgl. hierzu auch Luik 1996, 135). – Burmeister schlägt für eine Rahmenscheibenfibel aus dem Vicus Bedaium/Seebruck eine Datierung in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. vor (Burmeister 1998, 98). 425 Feugère 1985, 382–416 bes. 383 Abb. 60,21. 426 Martigny: Rey-Vodoz 1986, 168 (Nr. 208) Taf. 13,208. – Xanten: Boelicke 2002, 129 Taf. 52,1116. – Siscia: Patek 1942, Taf. 20, 2. 427 Feugère 1985, 385–393. 428 Riha 1979, 201. 429 Ebd.; dies. 1994, 172; Ortisi 2002, 44. 430 Riha 1994, 172. 431 Feugère 1985, 394. 432 Jobst 1975, 114. 433 Bad Pyrmont: W.-R. Teegen, Neues zu zwei provinzialrömischen Bronzeobjekten des Pyrmonter Brunnenfundes. Ein Arbeitsbericht. In: Akten der 10. Internationalen Tagung über antike Bronzen (Stuttgart 1994) 411–416 bes. 414 f.; L. Wamser (Hrsg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. Zivilisatorisches Erbe einer europäischen Militärmacht. Ausstellungs Rosenheim 2000 (Mainz 2000) 376 133b1. – Thalmassing: BVbl. Beih. 4 (1991) 154 Abb. 91,17. – Vgl. weitere Exemplare mit senkrechter Spiralkonstruktion aus Töging a. Inn (Donaubauer 1989, 79 f. Taf. 5,43) und Osterburken (H. Zürn, Katalog Schwäbisch Hall. Die vor- und fühgeschichtlichen Funde im Keckenburgmuseum. Veröffentl. Staatl. Amt Denkmalpfl. Stuttgart 9 [Stuttgart 1965] 43 Taf. 42,8). 434 Jobst 1975, 115. – Vgl. hingegen Donaubauer, der von einer Datierung schon in die zweite Hälfte des 2. und erste Hälfte des 3. Jahrhunderts ausgeht (Donaubauer 1989, 80). 424 39 gegenständlichen Fibeln des Typs Böhme 42 zugeordnet werden435. Das Exemplar ähnelt einem stilisierten Miniaturschild mit spindelförmigem Schildbuckel, wodurch eine typologische Verwandtschaft mit Beschlägen in der Form eines scutum436 aus dem unteren Donauraum naheliegend scheint. Böhme rechnete mit einer Verwendung gegenständlicher Fibeln vor allem im 2. bis möglicherweise in das frühe 3. Jahrhundert437. Insgesamt drei Exemplare (Nr. F87–F89) sind zu den durchbrochenen Scheibenfibeln Typ Böhme 46/Jobst 31 zu zählen. Nr. F87 besteht aus einer rautenförmigen durchbrochenen Grundplatte mit Resten eines Zinnüberzugs und untersehniger Spiralkonstruktion mit quergestelltem Nadelhalter auf der Rückseite. Obwohl die Fibel nicht über die runde Grundform verfügt, ist sie am ehesten Böhmes Variante 46a zuzuweisen, die sich durch eine durchbrochen gearbeitete ebene Oberfläche auszeichnet438. Die halbplastische, gegossene Scheibenfibel Nr. F88 mit spitzovaler durchbrochener Grundplatte mit Trompetenornament und quergestelltem Nadelhalter ist als Variante Böhme 46b/Jobst 31G anzusprechen439. Das charakteristische Trompetenornament findet sich nicht nur bei Fibeln, sondern auch bei durchbrochenen Beschlägen. Zwei solche Exemplare aus Köngen440 und Schesslitz-Burgellern441 sind typologisch nahezu identisch mit der Fibel aus Pons Aeni. Auch eine weitere durchbrochene Scheibenfibel (Nr. F89) kann dieser Variante zugewiesen werden. Die Verzierung des komplett erhaltenen Stücks erinnert an ein rechtsläufiges Sonnenrad, vergleichbar mit dem Riemenverteiler Nr. P2. Das Exemplar wurde 1967 während den Grabungen in Pons Aeni aus einer Brandschicht direkt auf dem Fußboden des Gebäudes 2 in Schnitt C geborgen442. Diese Schicht enthielt auch eine Münze des Tetricus, so dass mit einer Zerstörung des Gebäudes im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts gerechnet werden kann443. Durchbrochene Scheibenfibeln wurden wohl schon in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts getragen444. Aus Flavia Solva liegen Gussformen entsprechender Fibeln aus einer Werkstatt (Gebäude P, insula XLI) vor, die eine lokale Produktion bezeugen445. Aufgrund der Zuweisung der Werkstatt zu Bauperiode II ging S. Groh von einer Produktion zwischen 150/160 bis 170 n. Chr. aus446. Nr. F89 aus Pons Aeni und die Exemplare vom Lorenzberg sowie vom Moosberg legen eine Verwendung bis in das letzte Viertel des 3. Jahrhunderts nahe447. Hakenkreuzfibeln des Typs Böhme 49/Jobst 34 finden sich vor allem in den Rhein- und Donauprovinzen, Britannien und 435 Böhme 1972, 38 f. Vgl. hierzu: L. Petculescu, Bronze Miniature Weapons and Armour in the Equipment of Roman Soldiers from Dacia in the Second and Third Centuries AD. In: Ancient Bronzes 1995, 409–412 bes. 410 f. Abb. 2. 437 Böhme 1972, 39. 438 Ebd. 43. 439 Ebd.; Jobst 1975, 119 f. 440 Luik 1996, 206 Taf. 49,7. 441 BVbl. Beih. 7 (1994) 112 f. Abb. 127,8. 442 Christlein/Kellner 1969, 96. 443 Ebd. 87. 444 Böhme 1972, 44; Jobst 1975, 118 f.; Riha 1979, 88. 445 Groh 1996, 128–131. 446 Ebd. 130. – S. Groh rechnete aufgrund des mit Regensburg-Kumpfmühl vergleichbaren Münz- und Keramikspektrums mit einer Zerstörung der insula XLI in den Markomannenkriegen um 170 n. Chr. 447 Moosberg: Garbsch 1966, 64 f. Taf. 25,8. – Lorenzberg: Werner 1969, 148 f. Taf. 40,30. – Vgl. hierzu auch ein Exemplar aus Lauriacum: Jobst 1975, 119 f. Taf. 48,343. 436 40 Syrien448. In Pons Aeni lässt sich sowohl die Variante Böhme 49c/Jobst 34B mit linksläufiger Swastika und unverzierten Armen449 (Nr. F90), als auch die Variante Böhme 49d/Jobst 34C nachweisen, bei der die Swastika von einem Bronzering eingefasst ist (Nr. F91)450. Nr. F90 verfügt auf der Rückseite über eine Spiralkonstruktion mit unterer Sehne und quergestelltem Nadelhalter. Bei Nr. F91 ist auf der Rückseite nur der quergestellte Nadelhalter erhalten. Entsprechende Fibeln wurden wohl vor allem im späten 2. und 3. Jahrhundert getragen451. Böhme ging aufgrund des massierten Vorkommens in Kastellen von einer primär von Soldaten getragenen Form aus452. Zusammenfassung Während die militärischen Ausrüstungsgegenstände und Pferdegeschirrbestandteile überwiegend der mittleren Kaiserzeit zugeordnet werden können, datiert das breite Spektrum der Fibeln bis in spätrömische Zeit. Die Menge der mittelkaiserzeitlichen Kniefibeln aus dem Vicus stellt die in der Forschung vorgenommene Ansprache als Soldatenfibeln erneut in Frage. Selbst bei einer zu vermutenden Militärpräsenz im mittelkaiserzeitlichen Vicus Pons Aeni lässt sich nicht klären, ob die Stücke überwiegend von Soldaten oder in gleichem Maße von Zivilisten getragen wurden. Herkunft und Verbreitung der unterschiedlichen Formen verdeutlichen die Grenzlage von Pons Aeni zwischen den norisch-pannonischen und den obergermanisch-raetischen Provinzen, gleichzeitig liegen sogar Exemplare vor, die überwiegend aus dem mittleren und unteren Donauraum bekannt sind. Daneben kristallisiert sich jedoch auch ein regionaler Typ der kräftig profilierten Fibeln mit Spiralhülse (sog. Typ Pons Aeni) heraus, dessen Hauptverbreitungsgebiet im Chiemgau zu finden ist453. Archäologisch-historische Auswertung – Pons Aeni in der mittleren Kaiserzeit Obwohl eine Nutzung des Kastenfeldes aufgrund des Materials erst in römischer Zeit nachzuweisen ist, finden sich in diesem Areal vereinzelt auch Funde der Spätlatènezeit, die jedoch keiner Siedlung zugewiesen werden können. Bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. war vermutlich eine Brücke zwischen dem Mühlthal und dem Kastenfeld das einzige Anzeichen einer römischen Präsenz in diesem Bereich454. Anhand des vorgestellten Fundmaterials ist es wahrscheinlich, dass der Vicus Pons Aeni frühestens in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts gegründet wurde455. Während die für das 1. und 2. Jahrhundert charakteristischen norisch-pannonischen Flügelfibeln nur durch ein Exemplar vertreten 448 Böhme 1972, 45 f.; Riha 1979, 88 f.; Ortisi 2002, 42. Böhme 1972, 45; Jobst 1975, 215. 450 Böhme 1972, 45; Jobst 1975, 216. 451 Böhme 1972, 46; Ortisi 2002, 42. 452 Böhme 1972, 46; Grabherr 2001, 42. – Generell zur Beurteilung von Soldatenfibeln auch Jütting 1995, 162. 453 Die Konzentration auf den Chiemgau lässt auch eine Produktion in diesem Bereich vermuten. 454 s. Anm. 15 und 16. – Vgl. hierzu auch die These Donaubauers, der den Bau der Brücke erst mit einem Ausbau des Straßennetzes unter Septimius Severus in Zusammenhang bringen will (Donaubauer 1989, 17 f.). Generell zum Ausbau des Straßennetzes in severischer Zeit in Raetien: H.U. Instinsky, Septimius Severus und der Ausbau des raetischen Straßennetzes. Klio 31, 1938, 31–50; M. Pietsch/P. Schwenk, Ein römischer Meilenstein des Septimius Severus und eine Vorgängerkirche von St. Margaretha bei Egerdach. Arch. Jahr Bayern 1999, 77–81 bes. 79–81. 455 Christlein/Kellner 1969, 87; Kellner 1974, 164. 449 41 sind, was vor allem im Vergleich zum Fundmaterial aus Bedaium/Seebruck auffällt, treten die vorhandenen kräftig profilierten Fibeln Cambodunum Gruppe 4 zwar schon in spätflavischer Zeit auf, wurden jedoch noch bis in das dritte Viertel des 2. Jahrhunderts getragen. Auch unter den militärischen Ausrüstungsgegenständen sind nur wenige Stücke zu finden, die schon vor der Mitte des 2. Jahrhunderts in Gebrauch gewesen sein könnten. Die Gesamtmünzreihe der Grabungen kann einen deutlichen Anstieg erst mit Prägungen des zweiten Viertels des 2. Jahrhunderts verzeichnen (Abb. 6)456. Vermutlich hängt der Aufschwung des Vicus mit dem Beginn der Sigillataproduktion durch Töpfer aus Westerndorf zusammen, die wohl gegen Ende des 2. Jahrhunderts einen Zweigbetrieb auf dem Kastenfeld gründeten457. Die aus den Grabungen bekannten Gebäudestrukturen des Vicus konnten durch eine geomagnetische Prospektion458 ergänzt und zu einem Gesamtplan vervollständigt werden. Entlang der westlichen Seite der vom Inn kommenden Straße befand sich auf einer Fläche von etwa 200 x 60 m eine Reihe von Streifenhäusern in Holzbauweise. Östlich der Straße wurden keine Gebäudestrukturen festgestellt459. Im Norden wurden die Häuser durch Töpferöfen begrenzt, während das südliche Ende des Vicus aufgrund der modernen Bebauung nicht erfasst werden konnte460. Interessanterweise deckt sich die von W. Ager erstellte Verbreitungskarte der Lesefunde nahezu vollständig mit der aus der Geomagnetik abzulesenden Ausdehnung des Vicus (Abb. 7). Zum Vorkommen von militärischen Ausrüstungsgegenständen in zivilen Siedlungen461 Eine militärische Komponente im Bereich des Vicus wurde bereits in den Grabungsberichten herausgestellt462. Christlein argumentierte dabei für eine Befestigung in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts als Vorläufer des spätantiken Kastells463. Die Datierung der Ausrüstungsgegenstände aus Pons Aeni belegt jedoch eine militärische Komponente schon mit der Gründung des Vicus im späten 2. Jahrhundert464. Dieser Fundanfall bedarf einer genaueren Untersuchung. Eine gezielte Deponierung der Ausrüstungsgegenstände ist als Erklärung auszuschließen, da sowohl die Zusammensetzung des Materials als auch die weite Streuung über das gesamte Vicusareal gegen eine solche Annahme sprechen. Militärische Ausrüstungsgegenstände in zivilen Kontexten können auch mit der Produktion lokaler Werkstätten in Verbindung gebracht werden465. Als sichere Hinweise 456 Christlein u.a. 1976, 47. Kellner 1974, 165; H.-J. Kellner in: W. Czysz/K. Dietz/Th. Fischer u.a., Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995) 498; Steffan/Uenze 2003, 79. 458 Faßbinder/Pietsch 2005, 100–102. 459 Ebd. 102. 460 Ebd. 461 Zuletzt zu Waffen in zivilem Kontext: Fischer 2001, 13–18; Nicolay 2001, 53–66; M. Junkelmann, Waffen für Jagd und Gladiatur. Jahresber. Ges. Pro Vindonissa 2001, 19–21. 462 Christlein/Kellner 1969, 96; Christlein u.a. 1976, 12. 463 Christlein/Kellner 1969, 89. 464 Zur Problematik und Interpretation von Militaria aus zivilem Kontext zuletzt Mackensen 1987, 156–173 bes. 157–162; ders. 2001, 325–346 bes. 336–342; Pfahl/Reuter 1996, 119–167; Fischer 2001, 13–18; Nicolay 2001, 53–66. 465 Gschwind 1997, 607–638. 457 42 auf Metallverarbeitung sind vor allem Schmelztiegel, Gussköpfe und Halbfabrikate zu werten466. Allerdings liegen aus Pons Aeni bislang keine Stücke vor, die als Roh- und Fehlgüsse oder gar Halbfabrikate anzusprechen wären467. Eine lokal produzierende Werkstatt kann somit als Ursache des Fundniederschlags ausgeschlossen werden. Der Anfall an Ausrüstungsgegenständen könnte unter Umständen auch durch die Anwesenheit von Veteranen oder den Verlust einzelner Militaria durch durchziehende Truppenverbände oder Militärangehörige erklärt werden. Eine Ansiedlung von Veteranen wird jedoch vor allem in den Lagerdörfern der Garnisonsorte bzw. vereinzelt in villae rusticae angenommen468. Auch Verluste durchziehender militärischer Verbände könnten den Fundanfall nicht allein verursachen, da der Niederschlag die aufgrund zufälliger Verluste zu erwartende Menge bei weitem übertrifft. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit findet sich in Bauprojekten mit militärischer Beteiligung469. Inwiefern Soldaten jedoch als Arbeitsvexillation bei Instandsetzungsarbeiten an der Innbrücke von Pons Aeni oder an den vor allem für die severische Zeit überlieferten Straßenbaumassnahmen in Raetien und Noricum beteiligt waren, lässt sich derzeit nicht klären470. Demnach ist die Masse der Funde am ehesten durch eine direkte militärische Präsenz in Pons Aeni zu erklären, wobei sich natürlich die Frage nach der Ursache, der Dauer und der Stärke einer solchen Stationierung stellt. Eine Benefiziarierstation in Pons Aeni? Die Existenz einer Benefiziarierstation in Pons Aeni wurde in der Forschung mehrfach diskutiert471. Der Vicus erfüllt aufgrund der Lage an einem Verkehrsknotenpunkt bzw. an wichtigen Handelswegen und der Nähe zum Fluss mit möglicher Anlegestelle die von J. Ott definierten Kriterien zur Lokalisierung einer solchen Station des Typs C472. Grundsätzlich ergeben sich für die Identifikation jedoch mehrere Probleme: stationes werden meist über entsprechende Inschriften lokalisiert, als Befund sind sie nur selten nachgewiesen. Eine Ausnahme stellen die Gebäude in Obernburg a. Main473, Osterburken474 und Sirmium475 dar, die eine erste Vorstellung der baulichen Strukturen von 466 Gschwind 1997, 608. Vgl. hierzu auch A. Böhme in: H. Schönberger, Kastell Oberstimm. Limesforsch. 18 (Berlin 1978) 217. 468 Pfahl/Reuter 1996, 132–134. 469 Am Mauerbau von Salona waren Vexillationen der legio II und III Italica beteiligt. Auch für Augsburg wird der Bau der Stadtmauer mit Hilfe von militärischen Baueinheiten diskutiert (Ortisi 2001, 80–82). 470 Zu den inschriftlich überlieferten Aufgaben solcher Arbeitsvexillationen vgl. R. Saxer, Untersuchungen zu den Vexillationen des römischen Kaiserheeres von Augustus bis Diokletian. Epigraph. Studien 1 (Köln/Graz 1967) 126. 471 Christlein/Kellner 1969, 77; Pietsch/Kostial-Gürtler 2000, 74; Pietsch 2001, 162. 472 Ott 1995, 88. 473 Steidl 2000, 81–83; ders., Nachlese – Abschließende Ausgrabungen in der römischen Polizeistation von Obernburg a. Main. Arch. Jahr Bayern 2002, 78–80; ders., Überraschung unter dem Lehm. Die Entdeckung einer römischen Polizeistation in Obernburg am Main. Mitt. Freunde Bayer. Vor- und Frühgesch. 97, 2001, 2–10; ders., Hüter römischer Ordnung. Arch. Deutschland 2002/1, 2002, 41 f. – Das längliche Gebäude in Obernburg a. Main orientiert sich im zentralen Bereich um einen offenen Peristylhof. 474 E. Schallmayer/G. Preuß, Die Steinfunde aus dem Heiligtum von Osterburken. In: Der römische Weihebezirk von Osterburken II. Forsch. Ber. Vor- und Frühgesch. Baden-Württemberg 49 (Stuttgart 1994), 15–73; Schallmayer 1994, 182–184 Abb. 33; S. Huther, Die Wasserbauwerke im Weihebezirk von Osterburken – Erste Ergebnisse. In: Der römische Weihebezirk von Osterburken II. Kolloquium 1990 und paläobotanische 467 43 Benefiziarierstationen geben. Leider reicht dies noch nicht aus, um eine generelle Aussage zu charakteristischen Grundrissen zu treffen. So kann auch in Pons Aeni keiner der Befunde aus Grabungen und geomagnetischen Untersuchungen eindeutig als Amtsgebäude identifiziert werden. Ein weiteres Problem stellt die fehlende Vorlage des Kleinfundmaterials dar: Die Kleinfunde aus Osterburken und Sirmium sind noch unpubliziert. Aus Obernburg a. Main sind wenige Bestandteile von Pferdegeschirr und militärischen Ausrüstungsgegenständen bekannt476, die jedoch im Vergleich mit dem Material aus Pons Aeni einen nur verschwindend geringen Anteil ausmachen. Dabei ist zu bedenken, dass sich in dem erfassten Gebäude alle römischen Nutzungsschichten erhalten haben und die statio von der Mitte des 2. Jahrhunderts bis um 233 nahezu ein Jahrhundert besetzt war477. Auch M. Luik konnte die Menge militärischer Ausrüstungsgegenstände aus den Befunden in dem nachkastellzeitlichen Grinario/Köngen478 nicht durch die Anwesenheit einer Benefiziarierstation erklären, weswegen er eine Kombination von Benefiziariern und Veteranen in Betracht zog479. Anhand epigraphischer Zeugnisse lässt sich feststellen, dass immer nur ein oder höchstens zwei beneficiarii consularis gleichzeitig in einer statio waren und nach dem turnusmäßigen Dienst von einem halben Jahr abgelöst wurden480. Hinzu kam in Ausnahmefällen eine begrenzte Anzahl von Soldaten oder Militärangehörigen481. Dementsprechend ist natürlich mit einem verhältnismäßig geringen Fundniederschlag militärischer Ausrüstungsgegenstände zu rechnen. Auf der Basis von Kleinfunden allein lassen sich Benefiziarier jedoch kaum nachweisen. Da sie aus Legionen rekrutiert wurden, ist mit einer vergleichbaren militärischen Ausstattung (Trachtbestandteile und Bewaffnung) zu rechnen482. Die sog. Benefiziarierlanzen bzw. verkleinerte Darstellungen in der Form von Balteusschließen und Anhängern wurden nicht ausschließlich von Benefiziariern getragen, sondern können über bildliche Darstellungen zusätzlich anderen principales zugewiesen werden483. Schon E. Ritterling ging daher davon aus, dass entsprechende Lanzenspitzen als generelles Abzeichen von Untersuchungen (Stuttgart 1994) 75–160. – In Osterburken überlagert der Weihebezirk u.a. ein älteres Holzgebäude, welches wohl ursprünglich als Amtsstube diente. 475 M. Mirković, Beneficiarii consularis in Sirmium. Chiron 24, 1994, 345–404; ders., Beneficiarii Consulares and the new Outpost in Sirmium. In: V.A. Maxfield/M.J. Dobson (Hrsg.), Roman Frontier Studies 1989. Proceedings of the XVth International Congress of Roman Frontier Studies (Exeter 1991) 252–256; Schallmayer 1994, 175 Abb. 20. – Auch in Sirmium handelt es sich wohl um ein langrechteckiges Gebäude mit einem Säulenhof. 476 B. Steidl gewährte mir freundlicherweise Einblick in das noch unpublizierte Material aus Obernburg a. Main. 477 Steidl 2000, 81–83. 478 Mit einer Aufgabe des Kastells rechnet M. Luik um 150/160 (Luik 1996, 139; ders., Kastell Köngen und das Ende des Neckarlimes. – Zur Frage der nachkastellzeitlichen Nutzung von Kastellen des rechtsrheinischen Limesgebietes. In: L. Wamser/B. Steidl, Neue Forschungen zur römischen Besiedlung zwischen Oberrhein und Enns. Kolloquium Rosenheim. Schriftenr. Arch. Staatsslg. 3 [Remshalden-Grunbach 2002], 75). 479 Luik 1996, 139. 480 Ott 1995, 105; 107 f.; 111–113. 481 Ebd. 108. 482 Eibl 1994, 277. 483 Ebd. 291 Taf 1a–b; Ch. Flügel, Ein silberner Thekenbeschlag mit militärischen Motiven. In: L. Wamser (Hrsg.), Dedicatio. Festschrift f. H. Dannheimer. Prähist. Staatsslg. Beih. 5 (Kallmünz 1999) 116–122 bes. 120. – H. Ubl geht hingegen von einer möglichen Zuweisung eines entsprechenden Beschlags aus Lauriacum zu Benefiziariern aus (H. Ubl, Gedanken zu einem Benefiziarierabzeichen aus Lauriacum. In: F.W. Leitner [Hrsg.], Carinthia Romana und die römische Welt. Festschrift f. G. Piccottini. Aus Forschung und Kunst 34 [Klagenfurt 2001] 379–390 bes. 390). 44 Stabsmitgliedern eines Provinzstatthalters verwendet wurden484. Darstellungen von sog. Benefiziarierlanzen sind so u.a. auch von dem Grabstein eines protector equitum singularium aus Rom bekannt485. Die irreführende Ansprache der „Benefiziarierlanzenspitzen“ sollte somit durch eine neutrale Bezeichnung als Signumlanzenspitzen ersetzt werden. Auch die Balteusschließe (Nr. M72) und die Signumspitze (Nr. M84) aus Pons Aeni könnten generell von principales verwendet worden sein. Interessanterweise wurde in einem Kloster nahe der Ortschaft Kornberg bei Rosenheim ein Grabaltar gefunden, der einen Clodius Marianus, frumentarius legionis VII Geminae nennt486. Da der Stein als Spolie verbaut war, nahm man in der Forschung Pons Aeni oder Bedaium als ursprünglichen Aufstellungsort an487, doch lässt sich die Herkunft des Grabsteines nicht mehr klären. Für Pons Aeni kann festgehalten werden, dass einige Funde Hinweise auf die Anwesenheit von principales geben, eine Benefiziarierstation jedoch nach wie vor nur über epigraphische Quellen – die im Vicus fehlen – nachgewiesen werden könnte488. Die verkehrsgeographische Lage des Vicus spricht dabei durchaus für die Anwesenheit von Benefiziariern. Diese können jedoch schwerlich alleine für den Niederschlag der vergleichsweise großen Anzahl militärischer Ausrüstungsgegenstände aus Pons Aeni verantwortlich gewesen sein. Eine Zollstation mit militärischer Präsenz? Als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen ist der oben bereits angeführte Weihestein aus Poetovio/Ptuj heranzuziehen. Die Inschrift lautet (Taf. 2,1): D(EO) I(NVICTO) m(ithrae) PRO SALUTE CHARIDEMI AVG(USTI) N(OSTRI) VIL(ICI) STA(TIONIS) ENENSIS M(ARCUS) ANTONIUS CELER V(OTUM) S(OLVIT) L(IBENS) M(ERITO)489. Eine weitere Quelle, die den M. Antonius Celer als Mitglied der Mithrasgemeinde in Poetovio nennt, lässt sich aufgrund der Konsularangabe in das Jahr 244 n. Chr. datieren, so dass sich auch ein Hinweis auf die Lebensdaten des Charidemus um die Mitte des 3. Jahrhunderts ergibt490. Kellner ging von einer Gleichsetzung der statio Enensis mit Pons Aeni aus491. Obwohl dies mitunter abgelehnt wurde492, ist aufgrund der Nennung des Vicus in der Tabula Peutingeriana als Ad Enum eine Lokalisierung dieser statio in Pons Aeni wahrscheinlich. So ist hier mit einer Zollstation zu rechnen, die dem Publicum portorii Illyrici 484 Ritterling 1919, 23. Eibl 1994, 293 Taf 1b (Nr. 21). 486 CIL III 5579. 487 Vgl. hierzu A. v. Domaszewski, Die Beneficiarierposten und die römischen Straßennetze. Westdeut. Zeitschr. 21, 1902, 158–211 bes. 166 mit Anm. 53; Ritterling 1919, 13; A. Obermayr, Römersteine zwischen Inn und Salzach (Freilassing 1974) 105–108; Spindler 1992, 190 (Liste A, 3). 488 Vgl. hierzu auch Gschwind 2004, 154. 489 CIL III 151847. 490 Christlein/Kellner 1969, 78; Garbsch 1985, 449 f. 491 Christlein/Kellner 1969, 78. 492 Generell nennt die Inschrift nur eine Zollstation, die sich am Inn befunden haben muss. M. Pietsch schließt jedoch auch die Anwesenheit einer Zollstation in Kraiburg a. Inn nicht aus (M. Pietsch, Neue Ausgrabungen in der römischen Grenzsiedlung von Kraiburg a. Inn. Arch. Jahr Bayern 1994, 127–130 bes. 130). – Vgl. hierzu auch die Vorbehalte zu einer Lokalisierung in Pons Aeni bei: Reinecke 1924, 39. 485 45 mit zentraler Verwaltung in Poetovio unterstellt war493 und einen Warenzoll bei der Überquerung der Grenze in den Zollbezirk der Quadragesima Galliarum erhob494. Möglicherweise wurde zusätzlich eine Art Maut für die Überquerung der Brücke fällig495. Die Funde mehrerer Bleiplomben496 (Taf. 2,2.1–3) lassen vermuten, dass Waren teilweise direkt im Vicus weiterverhandelt wurden, könnten aber ebenso als Belege für eine Warenkontrolle durch den Zoll gesehen werden497. Die archäologischen Untersuchungen im dakischen Porolissum liefern ein Beispiel für eine Zollstation. Die zweiphasige umwehrte Anlage mit einer Größe von ca. 0,15–0,16 ha war vermutlich von hadrianisch-antoninischer Zeit bis in das dritte Viertel des 3. Jahrhunderts in Funktion498. Auf der Außenseite waren zwei Räume an die Umwehrung angebaut, die wohl als Diensträume der Zollverwaltung dienten499. In deren unmittelbarer Nähe wurden zwei Inschriften entdeckt, die von Zollsklaven (servi vilici) gestiftet worden waren500. Im Inneren der befestigten Anlage fanden sich längliche Bauten, die N. Gudea als Baracken für Soldaten interpretierte501. Aus diesem Bereich stammen Waffen (Lanzen-, Speer-, Pfeilspitzen), Riemenbeschläge und Fibeln (u.a. Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion, emaillierte Scheibenfibeln)502. Während die militärischen Ausrüstungsgegenstände Parallelen in den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes finden, entsprechen die Fibeln erwartungsgemäß dem Spektrum des unteren Donauraumes (s. o. zu den Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion). Gudea ging aufgrund der Größe der Baracken von einer Besatzungsstärke von 50 (1. Phase mit nur einer Baracke) bis 100 Mann (2. Phase mit zwei Baracken) aus503, die zum Schutz des Zollpersonals abkommandiert worden waren504. Obwohl B. Mazegger für die inschriftlich belegte statio Maiensis505 nahe Meran in Südtirol aufgrund von Angriffswaffen ebenfalls eine militärische Präsenz annahm506, ist diese wohl vor allem in Zollstationen im grenznahen Bereich zu vermuten. So ging auch F. Vittinghoff nur von einer militärischen Sicherung der Stationen zwischen Barbaricum und Römischem Reich aus507. Da die Ausfuhr bestimmter Waren (Waffen, 493 Vittinghoff 1953, 362; Christlein/Kellner 1969, 78; Kellner 1974, 164; Höck 1994, 75 f.; Pietsch 2001, 161 f. Vittinghoff 1953, 376. 495 Ebd. 362; Gudea 1996, 422; Höck 1994, 75. 496 Fundstücke im Besitz des W. Ager (Inv.Nr. A90–18 mit einseitiger Inschrift CB, A99–128 mit möglicherweise beidseitiger Darstellung der Victoria, A98–186 mit nicht erkennbarem Stempel). – Weiterhin zu römischen Bleiplomben: E. Tóth, Bleibullen im Ungarischen Nationalmuseum. In: Instrumenta Inscripta Latina. Das römische Leben im Spiegel der Kleininschriften (Pécs 1991) 49; 152–156 (Nr. 243–268). 497 H. Bender, Bleiplomben und andere Objekte aus Blei von zwei rätischen Fundplätzen. BVbl. 65, 2000, 173– 178 bes. 176–178. 498 Gudea 1996, 412–415. 499 Ebd. 413 f. 500 Ebd. 418 f. Zu diesen treten noch weitere Inschriften, die die Interpretation als Zollstation untermauern (ebd. 419 f.) 501 Ebd. 415. 502 Ebd. 417 f. Taf. 53–57; 78–80. 503 Ebd. 416. 504 Ebd. 431. – Aufgrund von gestempelten Ziegeln nimmt der Bearbeiter an, dass ein Detachement der cohors V Lingonum das Gebäude errichtete und dort stationiert war. 505 Mazegger 1896, 20. 506 Ebd. 29. – Zur verkehrsgeographischen Situation der Zollstation siehe A. Alpago-Novello, Da Altino a Maia sulla Via Claudia Augusta (Mailand 1972) bes. 153. 507 Vittinghoff 1953, 356; Gudea 1996, 421. 494 46 Werkzeuge, Getreide, Eisen, Salz508) in nichtrömisches Gebiet verboten war, kann hier mit erhöhtem Zollbetrug bzw. Schmuggel und feindlicher Bedrohung gerechnet werden. Vermutlich sollte die Stationierung von Soldaten dies unterbinden509. So deuten beispielsweise die mittelkaiserzeitlichen Bleiplomben aus dem englischen Kastell South Shields am Hadrianswall eine militärische Warenkontrolle im Grenzbereich an510. Bleiplomben vom spätrömischen Martinsbühel werden als Zeugnis einer militärischen Kontrolle durch eine Abteilung der legio III Italica gewertet, die laut der Notitia Dignitatum für die transvectio specierum verantwortlich war511. Da Pons Aeni sich im Binnenland an der Grenze von zwei Zollbezirken befand, ist es aber eher unwahrscheinlich, dass militärischer Schutz im Ausmaße von Porolissum oder anderer Grenzbereiche (oder spätrömischer Transportwege) erforderlich war. So könnte eine Zollstation in Pons Aeni höchstens einen zusätzlichen Grund für eine militärische Anwesenheit in der mittleren Kaiserzeit bieten. Stationierung eines Detachements aufgrund strategischer Überlegungen? Eine weitere Möglichkeit, die den Niederschlag der militärischen Ausrüstungsgegenstände erklären würde, wäre die längerfristige Stationierung einer Einheit. Dies wäre aufgrund der oben angesprochenen Lage an einem der wenigen Flussübergänge des schiffbaren Inns strategisch durchaus sinnvoll. Zunächst zur Schiffbarkeit des Inns: Ein Grabstein aus Passau nennt einen Weinhändler aus Iulia Tridentum/Trient namens Publius Tenatius Essimnus512. Höchstwahrscheinlich handelte dieser mit norditalischem Wein, welcher vom Ausgangsort über die Etsch, den Reschen-Scheideck-Pass oder den Brenner in Richtung Veldidena/Innsbruck transportiert wurde513. Ab Innsbruck konnte die Ladung verschifft und auf dem Inn nach Passau gebracht werden514. Die vita Sancti Severini des Eugippius erwähnt, dass die Bewohner von Favianis/Mautern a. d. Donau unter einer Hungersnot zu leiden hatten, da die erwarteten Vorratsschiffe im Eis des zugefrorenen Inn steckengeblieben waren515. Eine sekundäre Quelle zur Schifffahrt und dem Handel auf dem Inn hat bislang wenig Resonanz gefunden, ist jedoch gerade für Pons Aeni von höchstem Interesse. Auf einem Kalksteinsarkophag aus Brigetio wird ein Aurelius Martialis genannt, der den Sarg für seine Frau Valeria Lucilla anfertigen ließ516. In der älteren Forschung wurde seine Berufsbezeichnung als nauarchus classis praetoriae portus Miseni aufgelöst517. Z. Mráv schlug nun eine neue Lesung vor, nach der Aurelius Martialis nauclerus portus [Pon(tis)] (A)eni war518. Der Sarkophag wird in das mittlere Drittel des 3. Jahrhunderts datiert519. Als 508 Gudea 1996, 421. Vittinghoff 1953, 396. 510 Allason-Jones/Miket 1984, 326–330 bes. 326. 511 Höck 1994, 76. 512 Wolff 1984, 88 f.; 90. 513 Ebd. 91; M. Mackensen, Ostmediterrane und nordafrikanische Amphoren aus Regensburg. BVbl. 64, 1999, 407 Anm. 70. 514 Wolff 1984, 91 f. 515 Eugipp., v. Sev. 3,3 (Übers. R. Noll, Passau 1981, 61–63). 516 Mráv 1999, 73–86. 517 Ebd. 74. 518 Ebd. 82. 519 Ebd. 76. 509 47 Interpretation dachte Mráv an einen Schiffseigner aus Brigetio, der in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts die Produkte der Pfaffenhofener Sigillatatöpferei über den Inn an die mittlere und untere Donau verhandelte520. Den Hafen vermutete er am Inn bei Pons Aeni521. Der Fluss könnte jedoch schon vorher eine wichtige Rolle in der Nachschubversorgung des römischen Heeres gespielt haben, als die Markomannenkriege Marcus Aurelius vor das logistische Problem der Heeresversorgung stellten522. Unterschiedliche schriftliche Zeugnisse berichten von seinen Bemühungen523. Aus dem vollständig überlieferten cursus honorum des M. Valerius Maximianus geht beispielsweise hervor, dass dieser als Sonderkommando eine Vexillation befehligte, die den Getreidenachschub über die Donau nach Pannonien zu sichern hatte524. Möglicherweise wurde der Inn zu diesem Zeitpunkt schon als Nachschubroute bis nach Passau genutzt, von wo aus die Waren weiter an die mittlere und untere Donau transportiert werden konnten. Allerdings waren die Angriffe der Markomannen nicht nur auf dieses Gebiet beschränkt. Zerstörungen, die vermutlich während dieser Kriege stattfanden, wurden in Raetien in Regensburg-Kumpfmühl, Straubing, Mangolding/Mintraching, Augsburg und Gauting aufgedeckt525. Auch das westliche Noricum scheint nicht verschont geblieben zu sein. So wurden Befunde in Iuvavum/Salzburg, die auf Zerstörungen hinweisen, mit den Markomannenkriegen in Zusammenhang gebracht526. Aufgrund der Datierung der militärischen Ausrüstungsgegenstände aus Pons Aeni ist auch hier eine militärische Präsenz in Form eines Detachements ab dem letzten Viertel des 2. Jahrhunderts vorstellbar. Grund hierfür könnte, wie oben dargestellt, die Kontrolle des Nachschubs auf dem Inn gewesen sein, die durch die weit vorgestoßenen feindlichen Einfälle gefährdet schien. Gleichzeitig wäre somit auch der Flussübergang direkt gesichert gewesen. Ortisi ging bei der Analyse der Fibeln aus Burghöfe davon aus, dass strategisch wichtige Plätze während der Markomannenkriege durch kleinere Detachements von vorher im Donauraum operierenden Truppen gesichert wurden527. Er erachtete eine Abkommandierung solcher Detachements von der zwischen 171/172 bis 179 n. Chr. in Eining-Unterfeld partiell stationierten legio III Italica als am wahrscheinlichsten528. Für Pons Aeni könnte aufgrund der mittelkaiserzeitlichen Zugehörigkeit zur 520 Mráv 1999, 82. Ebd. 77. – In diesem Zusammenhang sei kurz auf eine ca. 90 m lange Ufermauer am Inn im Bereich Mühlthal verwiesen, für die Pietsch eine Interpretation als Kai oder Bestandteil des römischen Brückenkopfes vorschlug (Pietsch 2001, 162). 522 Remesal Rodríguez 1997, 73 f. 523 Ebd. 524 Ebd. 74; G. Alföldy, P. Helvius Pertinax und M. Valerius Maximianus. Situla 14/15, 1974, 199–215 bes. 204 f. 525 Vgl. hierzu Fischer 1994, 343–349; Ortisi 2001, 75. 526 Heger 1974, 28; P.W. Haider, Historische Aspekte der römerzeitlichen Passstrassen über die Hohen Tauern. In: H. Friesinger/J. Tejral/A. Stuppner, Markomannenkriege – Ursachen und Wirkungen. VI. Intern. Symposium „Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im nördlichen Mitteldonaugebiet“ (Brno 1994) 26; Kovacsovics 2002, 186. – Allerdings deutet sich mittlerweile eine erst jüngere, nachmarkomannenkriegszeitliche Zerstörung in den 80er Jahren des 2. Jahrhunderts an (vgl. A. Krammer, Ein mittelkaiserzeitlicher Zerstörungshorizont in Iuvavum/Salzburg [Furtwängler Park 1987/88] [Magisterarbeit München 2003/04, in Druck]). 527 Ortisi 2002, 50. 528 Ebd. – Zur Stationierung der legio III Italica in Eining-Unterfeld siehe Jütting 1995, 186–190. 521 48 Provinz Noricum529 eine Detachierung von der ebenfalls unter Marcus Aurelius neu ausgehobenen legio II Italica erfolgt sein, die ursprünglich in Ločica (Lotschitz, Slowenien), dann Albing und anschließend in Lauriacum stationiert war530. Die Kniefibeln mit Scharnierkonstruktion (F40–F42, F48) sowie die als Speerschuh dienende Bronzetülle (M83) könnten dagegen auch als Hinweise auf eine Stationierung von Soldaten aus dem unteren Donauraum gewertet werden531. Aufgrund der strategischen Erfordernisse kann möglicherweise von einer Truppe in Zenturienstärke, also etwa 80 bis 100 Mann, ausgegangen werden. Der Speerschuh (M83) und das pectorale (M42) deuten die Anwesenheit einer teilberittenen auxiliaren Einheit an. Im Hinblick auf die oben formulierte These eines Legionsdetachements ist vielleicht auch an Legionsreiter zu denken. Bislang konnten keine Spuren einer mittelkaiserzeitlichen Befestigung für ein solches Detachement nachgewiesen werden. Wenn diese sich in der Nähe des Innufers befunden hätte, wäre es unwahrscheinlich, dass sich Befunde bis heute erhalten hätten. Eine militärische Anlage auf der gegenüberliegenden Innseite im Mühlthal ist auszuschließen, da aus dem gesamten Areal keinerlei Hinweise auf eine mittelkaiserzeitliche Militärpräsenz vorliegen. Auch das bekannte frühkaiserzeitliche Lager auf dem Hochufer bei Moosen, Gem. Prutting532 weist keine Spuren einer Nachnutzung im späten 2. Jahrhundert auf. Die auffällige Fundstreuung könnte eine Unterbringung von Soldaten im Vicus selbst andeuten, allerdings sind für die mittlere Kaiserzeit in den Nordwestprovinzen keine entsprechenden Vergleichsbeispiele bekannt. In diesem Zusammenhang muss auf die aus den Grabungen im Jahr 1974 bekannten Grabenstücke und die Mauerausbruchsgrube hingewiesen werden, die bisher einer spätrömischen Befestigung zugewiesen wurden533. Am nordöstlichen Ortsrand von Pfaffenhofen wurde ein Schnitt von 46 x 2 m angelegt (Abb. 8)534. Im Profil des Schnittes konnte ein 1,65 m (ab Humusoberkante) tiefer Spitzgraben beobachtet werden (Abb. 9)535. Eine in 2 m Abstand zu dem Graben erkennbare Verfärbung wurde als Mauerausbruchsgrube gedeutet536. Die nur 0,3–0,47 m (unter Oberkante) tiefe und 1,1 m breite Verfärbung zeichnete sich durch einen hohen Anteil von Steinen ohne jegliche Mörtelreste aus537. Die Befunde wurden aufgrund einer prägefrischen Maiorina des Magnentius für Decentius, 351/352, und zwei bronzener Armringe mit Tierkopfenden aus der Grabenverfüllung (!) in die Mitte bzw. die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert538. Die Münze bietet jedoch nur einen Anhaltspunkt für die Verfüllung des Grabens. Die Stärke der Mauerausbruchsgrube lässt ebenfalls Zweifel an einer Interpretation als spätrömisches Kastell aufkommen. Mit einer Breite von 1,1 m im 529 Ulbert 1971, 110–112. Katalog Lauriacum 1997, 19; Ortisi 2001, 82. 531 Zur Verbreitung mittelkaiserzeitlicher Fibeltypen als Hinweis auf die Mobilität römischer Militärangehöriger vgl. Mackensen 1983, 565–578 bes. 577; Ortisi 2002, 50. 532 Pietsch 1995, 99–101. 533 Vgl. hierzu Christlein u.a. 1976, 97–100 bes. 99 f. 534 Ebd. 98. 535 Ebd. 99. 536 Ebd. 537 Ebd. 538 Ebd. 99 f. 530 49 Fundamentbereich liegt sie weit unter dem durchschnittlichen Wert der meisten spätantiken Mauerfundamentierungen. Als Beispiel seien die Umwehrungen der Befestigungen von Caelius Mons/Kellmünz (bis zu 3,6 m Stärke im Fundamentbereich = S.i.F.), auf dem Bürgle bei Gundremmingen (3–3,4 m S.i.F.), Bedaium/Seebruck (2,1 m S.i.F.), oder auf dem Goldberg bei Türkheim (bis 4,4 m S.i.F.) genannt539. Die Umwehrung des Kastells Vemania/Bettmauer bei Isny war zwar im Fundamentbereich nur bis zu 1,8 m breit, an den steilen Hangabbrüchen sogar nur 0,9 m, der fortifikatorische Charakter wurde jedoch durch einen 12 m breiten und 3 m tiefen Abschnittsgraben auf der zugänglichen Seite verstärkt540. Generell ist mit Beginn der spätrömischen Zeit mit mächtigen, tief fundamentierten Mauern von durchschnittlich 3,6 m Breite und 7–8,5 m Höhe zu rechnen541. Zieht man noch in Betracht, dass das Kastell in Pons Aeni keinen topographischen Schutz besaß, so unterstreichen die bekannten Befunde nicht unbedingt einen spätrömischen Charakter. Gegen eine Interpretation als spätrömisches Kastell sprechen auch der schmale Graben und die geringe Breite der Berme542. Die Umwehrung könnte jedoch schon wesentlich früher erbaut worden sein. Handelt es sich bei den Befunden in Pons Aeni also möglicherweise um eine mittelkaiserzeitliche Befestigung? Ein gutes Vergleichsbeispiel bietet das mittelkaiserzeitliche Kleinkastell von RegensburgGroßprüfening543. Zwischen Mauer und Doppelgrabenanlage des Kastells befindet sich eine nur zwei Meter breite Berme544. Auch die Breite des Mauerfundamentes von nur 1,2 m lässt sich bestens mit der in Pons Aeni gemessenen Stärke der Mauerausbruchsgrube (1,1 m) vergleichen545. Für das Kastell von Großprüfening wird eine Fläche von 0,3 ha angenommen546. Obwohl die umwehrte Fläche in Pons Aeni nicht definitiv bestimmt werden kann, ist auf der zur modernen Dorfmitte hin ansteigenden Erhebung genügend Platz für ein Kastell ähnlicher Ausmaße. Während ein mittelkaiserzeitlicher Ursprung der Umwehrung in Pons Aeni also durchaus möglich erscheint und dies auch das Problem der Unterbringung des Detachements klären würde, könnten Ergebnisse zur Funktion und Datierung der Befunde nur durch moderne Ausgrabungen erzielt werden. Fasst man diese Überlegungen noch einmal zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Wohl im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts wurde eine teilberittene Abteilung unbekannter Größe (vermutlich aber maximal 80-100 Soldaten) nach Pons Aeni verlegt. Zum Schutz der Nachschubversorgung auf dem Inn und des Flussübergangs selbst war sie höchstwahrscheinlich in einer befestigten Anlage in der Caelius Mons/Kellmünz: Mackensen 1995, 75. – Bürgle bei Gundremmingen: Bersu 1964, 9; 11. – Bedaium/Seebruck: Burmeister 1998, 183. – Goldberg bei Türkheim: Moosdorf-Ottinger 1981, 39. 540 J. Garbsch/P. Kos, Das spätrömische Kastell Vemania bei Isny I. Münchner Beitr. Vor- und Frühgesch. 44 (München 1988) 13. 541 Mackensen 1995, 41. 542 Ebd. – Vgl. hierzu auch die Wehrgräben in Caelius Mons/Kellmünz mit einer Breite von 4,5–6 m und einer Tiefe von 2,5 m (ebd. 81). – Der äußere Wehrgraben der Befestigung auf dem Goldberg bei Türkheim befand sich in 25 m Abstand zu der Mauer und war trotz der Hanglage bis 3,5 m breit und 1,5 m tief (Moosdorf-Ottinger 1981, 54 f.). – Die Gräben der Befestigung Bürgle bei Gundremmingen waren bis zu 2,5 m tief (Bersu 1964, 24– 27). 543 Für diesen wertvollen Hinweis möchte ich Prof. M. Mackensen, der als Erster einen mittelkaiserzeitlichen Ursprung der Gräben und Mauerausbruchsgrube in Betracht zog, danken. 544 Osterhaus 1981, 11. 545 Ebd. 11 f. 546 Ebd. 13. 539 50 Nähe des Vicus untergebracht. M.E. sind die bislang als Zeugnisse einer spätrömischen Befestigung gedeuteten Befunde vielmehr als Reste eines mittelkaiserzeitlichen Kleinkastells für dieses Detachement anzusprechen. Kleinfunde lassen dabei an Soldaten einer Einheit aus dem mittleren oder unteren Donauraum denken. Ein Vergleich der militärischen Ausrüstungsgegenstände aus dem Lager Eining-Unterfeld und dem in den Markomannenkriegen zerstörten Kastell von RegensburgKumpfmühl mit dem Material aus Pons Aeni deutet jedoch eine militärische Anwesenheit über die Markomannenkriege hinaus an. So können die runden Ortbänder mit peltaförmigen Durchbrechungen (M62–M64), die Bestandteile von Ring- und Rahmenschnallencingula (M17, M36–M38) und die Scharnierarmfibeln (F49–F50) frühestens in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts verlorengegangen sein. Eine Stationierung des Detachements in Pons Aeni ist somit bis deutlich in das 3. Jahrhundert hinein wahrscheinlich zu machen. Militärischer Fundniederschlag als Zeugnis eines Kampfes? Die Bedrohungen durch die Alamannen seit dem zweiten Drittel des 3. Jahrhunderts betrafen auch das Gebiet in und um Pons Aeni und sind als Grund einer längerfristigen militärischen Anwesenheit über die Markomannenkriege hinaus in Erwägung zu ziehen. Die in den Grabungen festgestellte ältere Zerstörungsschicht wurde mit den Einfällen 233 n. Chr. in Verbindung gebracht. Jüngste Münzen aus der Brandschicht sind Prägungen des Severus Alexander, wodurch sich ein terminus post quem von 228/231 ergibt547. Als weiteren Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Einfall von 233 wertete Kellner den hohen Anteil an verbrannten Münzen der Jahre zwischen 190 bis 230548. Münzhorte549 aus Ostraetien bzw. Westnoricum bestätigen eine Bedrohung im zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts. Auf der gegenüberliegenden Innseite wurde in der Flur Mühlthal ein Münzschatz geborgen, der 1274 Antoniniane und Denare enthielt550. Schlussmünzen sind Prägungen des Gordianus III., wodurch sich ein terminus post quem für die Verbergung oder den Verlust von 238/244 ergibt551. Der 1865 entdeckte Schatzfund von Niederaschau umfasst ca. 800 Münzen, einen silbernen Armreif und eine kräftig profilierte Fibel aus Silber552. Die Schlussmünze, eine Prägung des Maximinus Thrax, liefert einen terminus post quem für die Verbergung nach 235/236553. Der etwa 2300 Denare und Antoniniane umfassende Münzhort aus Iuvavum/Salzburg schließt ebenfalls mit einer Schlussmünze des Maximinus Thrax554. Der Hortfund aus Marktl a. Inn (Lkr. Altötting) setzt sich aus 130 Denaren, einem Antoninian und einer kräftig profilierten Fibel aus Silber des Typs Jobst 4E zusammen 555. 547 Christlein u.a. 1976, 77. Ebd. 549 Die Anzahl der Horte in einem so begrenzten Gebiet lässt sich m. E. nicht durch Thesaurierung, sondern nur durch eine akute Bedrohung erklären. 550 Pietsch/Kostial-Gürtler 2000, 74 f. 551 Ebd. 75. 552 Zanier 2001, 112–117. – Erstmals publiziert in F. H. Hundt, Fund römischer Denare bei Niederaschau. Obb. Archiv 27, 1866/67, 1–14. 553 Zanier 2001, 117. 554 Heger 1974, 149; Kovacsovics 2002, 188 f. 555 Pietsch 2004, 140 f. 548 51 Schlussmünzen sind wiederum mehrere Prägungen des Maximinus Thrax, so dass auch hier eine Verbergung erst nach 235/236 stattgefunden haben kann556. Eine weitere wichtige Entdeckung aus dem Umland ist der Hortfund aus Langengeisling (Lkr. Erding), der ebenfalls mit einer Prägung des Maximinus Thrax endet557. Der Gutshof von Tittmoning (Lkr. Traunstein) wurde im frühen oder um die Mitte des 3. Jahrhunderts durch eine Brandkatastrophe zerstört, die von E. Keller allgemein auf die Alamanneneinfälle zurückgeführt wurde558. Die lange Zeit angenommenen verheerenden Auswirkungen dieser Einfälle im Jahr 233 n. Chr. werden aufgrund neuerer Befunde mittlerweile relativiert559. Vielmehr scheint es, dass mehrere Angriffe im zweiten Drittel des 3. Jahrhunderts zu den Zerstörungen im östlichen Teil Raetiens geführt haben560. So sprach sich Th. Fischer für Ostraetien generell gegen eine Bedrohung um 233 aus und brachte entsprechende Zerstörungshorizonte erst mit einem Einfall um 250 in Zusammenhang561. Die auffallend geringen Münzprägungen nach Severus Alexander sah er als ein weitverbreitetes Phänomen in Raetien und Obergermanien an, welches er mit Verzögerungen im Münznachschub im mittleren Drittel des 3. Jahrhunderts erklärte562. Dieses Bild lässt sich in Pons Aeni bestätigen. Die Münzreihe bricht mit Prägungen des Alexander Severus (222– 235) fast vollständig ab und setzt erst mit Münzen des Gallienus (259–268) wieder verstärkt ein563. Umso erstaunlicher ist daher die Zusammensetzung des Schatzfundes aus dem Mühlthal mit Prägungen bis Gordianus III.564 Münzen dieses Kaisers sind nur durch einen einzigen, überwiegend sogar stempelgleichen Typ vertreten, weshalb Pietsch von einem Besitzer ausging, der kurz zuvor eine größere Summe ausgezahlt bekommen hatte565. Könnte es sich möglicherweise auch um Sold für Soldaten in Pons Aeni gehandelt haben? Da um die Mitte des 3. Jahrhunderts durchaus noch mit militärischer Präsenz gerechnet werden kann, stellt sich aufgrund der bedrohlichen Lage in Ostraetien und Westnoricum die Frage, ob das über den Vicus streuende Material eventuell auch Kämpfe im dem Bereich bezeugt. Entsprechende Kampfhorizonte in Stadt- oder Vicusarealen sind beispielsweise aus Pietsch 2004, 142. – Vgl. hierzu auch die Publikation der Münzen in K. Ehling, Ein Hortfund von Marktl (Landkreis Altötting). Numismatische Beobachtungen zum Germanenfeldzug des Maximinus Thrax (235/236 n. Chr.). Jahrb. Num. und Geldgesch. 51/52, 2001/02, 17–36. 557 Kellner 1960, 143. – Vgl. hierzu auch die zusammengestellten Hortfunde Ostraetiens bei Fischer 1990, 31 Abb. 6 (Hortfunde). 558 E. Keller, Tittmoning in römischer Zeit. Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern. Oberbayern 1 (Tittmoning 1984) 87. 559 Kellner 1995, 325 f.; Fischer 1990, 31 f.; P. Haupt, Römische Münzhorte des 3. Jahrhunderts in Gallien und den germanischen Provinzen. Provinzialröm. Studien 1 (Grunbach 2001) 69–72. 560 Kellner 1995, 325 f.; Fischer 1990, 31 f. – Gegen eine einmalige schwere Zerstörung spricht sich auch G. Moosbauer aus, der die vielen Hortfunde in Ostraetien mit mehreren Überfälle oder Bedrohungen über einen längeren Zeitraum in Zusammenhang bringen möchte (G. Moosbauer, Die Geschichte der ländlichen Besiedlung im östlichen Raetien während der römischen Kaiserzeit. Passauer Universitätsschr. Arch. 4 [Espelkamp 1997] 194 f.). 561 Fischer 1990, 32. 562 Ebd. 30. 563 Christlein u.a. 1976, 47 (Übersicht über die Münzfunde). – Die von W. Ager geborgenen Münzen aus dem Vicusbereich auf dem Kastenfeld umfassen mittlerweile fast 1000 Münzen, von denen bislang etwa zwei Drittel durch K. Ehling, Staatl. Münzsammlung, München, bestimmt sind. Auch hier fällt jedoch die Menge der Prägungen bis Severus Alexander und ab Gallienus im Gegensatz zu jeweils nur einem Antoninian des Maximinus Thrax, Gordianus III. und Philippus Arabs auf. 564 Pietsch/Kostial-Gürtler 2000, 75. 565 Ebd. 556 52 Augst566 und Heldenbergen567 bekannt. Neben Waffen aus der Zerstörungsschicht fanden sich in Heldenbergen zusätzlich Reste menschlicher Skelette mit Spuren tödlicher Kampfeinwirkung568. Quantitativ betrachtet fällt in Heldenbergen der hohe Anteil von Geschoss- und Pfeilspitzen unter den Angriffswaffen auf569. Diese fallen durch ihre Menge auch in dem umkämpften Straßenbereich in Augst auf570, wo sie als weiterer Hinweis auf ein gewaltsames Ereignis herangezogen werden können571. Die These eines Kampfes in Pons Aeni könnte neben den Geschossbolzen auch durch die sechs aufgefundenen Balteusschließen unterstützt werden. So ist beispielsweise auch die Masse der Balteusschließen aus dem um die Mitte des 3. Jahrhunderts zerstörten Dura-Europos hervorzuheben, die vermutlich erst mit den Kampfhandlungen verloren wurden. Leider stammen keine der militärischen Ausrüstungsgegenstände aus Pons Aeni aus der im Vicusbereich festgestellten Brandschicht. Ebenso weist keines der Exemplare Spuren eines Kampfes oder einer Zerstörung durch Feuer auf. Auch die Menge der Helmbestandteile sind kaum als Beweis eines feindlichen Angriffs zu sehen. Aus dem planmäßig geräumten Lager Eining-Unterfeld liegen ebenfalls Helmbestandteile572 vor, die jedoch durch unbemerkten Verlust in den Boden gelangten. Ohne den Zusammenhang von Brandschicht und Militaria näher untersuchen zu können, lässt sich im Falle von Pons Aeni ein Kampfgeschehen als Grund der Zerstörung demnach höchstens vermuten, keinesfalls jedoch beweisen. Die Besiedlung und Sigillataproduktion wurde nach dieser Katastrophe dennoch fortgesetzt573. In den 70er Jahren des 3. Jahrhunderts scheint der Vicus erneut zerstört worden zu sein, was das Ende der Sigillataproduktion bedeutete574. Der schon genannte Antoninian des Tetricus aus der zweiten, in der Grabung festgestellten Brandschicht deutet eine Zerstörung wohl kurz nach 270/273 an575. Obwohl die Töpferei nach diesem Ereignis scheinbar nicht mehr produzierte, wurde der Vicus nicht vollständig aufgegeben. Zu den Prägungen nach 273 aus den Grabungen treten mittlerweile mehrere Antoniniane des Probus und des Diocletianus aus dem Lesefundmaterial, die eine kontinuierliche Besiedlung bis in spätrömische Zeit wahrscheinlich machen. Zudem scheinen Antoniniane der zweiten Hälfte des 3. bis über die Wende zum 4. Jahrhundert hinaus in Umlauf gewesen zu sein576. Auch die militärische Präsenz könnte sich kontinuierlich bis in das 4. Jahrhundert fortgesetzt haben. So deuten neben den zwei Scharnierarm- und den zwei Zwiebelknopffibeln Keller/Pröttel 1 auch der Sporn (P43) und 566 Martin-Kilcher 1985, 147–203. Czysz 2003, 183–193. 568 Ebd. 183. 569 Ebd. 188–190. 570 Martin-Kilcher 1985, 176. 571 Vgl. hierzu auch Burmeister 1998, 106. – Überlegungen zur Archäologie von Schlachtfeldern wurden 2003 im Rahmen eines Kongresses in Wien eingehend behandelt. S. hierzu allg. E. Deschler-Erb, Militaria aus Zerstörungshorizonten – grundsätzliche Überlegungen. Carnuntum-Jahrb. 2005, 43–54; J.C.N. Coulston, Roman military equipment and the archaeology of conflict. Carnuntum-Jahrb. 2005, 19–32. 572 Jütting 1995, 164 Abb. 8, 49–64. 573 Kellner 1974, 165–167; Christlein u.a. 1976, 77. 574 Christlein u.a. 1976, 79. 575 Christlein/Kellner 1969, 87; 93 (Münzliste Nr. 8). 576 Kellner 1998, 93. 567 53 möglicherweise die späten Pferdegeschirrbeschläge577 (P33–P37) auf eine fortwährende Stationierung von Militär hin. Insbesondere die Fibeln Keller/Pröttel 1 könnten sogar erst im frühen 4. Jahrhundert mit einer spätrömischen Einheit nach Pons Aeni gekommen sein. Das spätrömische Pons Aeni Während eine Stationierung von Soldaten in der mittleren Kaiserzeit nur über das Fundmaterial wahrscheinlich gemacht werden kann, gilt eine spätrömische Militärpräsenz in Pons Aeni aufgrund der Nennung in der Notitia Dignitatum als gesichert. Allerdings fehlt für diese Einheit nach der Neuinterpretation der angeblich spätrömischen Umwehrung nun das zu erwartende Kastell. Der spätrömische Vicus: Militärische Nutzung und zivile Besiedlung Offenbar war das Areal des mittelkaiserzeitlichen Vicus auch im 4. Jahrhundert noch besiedelt. Die über das gesamte Areal streuenden, zahlreichen spätrömischen Fundmünzen harren zwar noch einer Bearbeitung, sprechen jedoch für eine kontinuierliche Besiedlung bis in das frühe 5. Jahrhundert578. Dies wird auch durch wenige Funde nordafrikanischer Sigillata aus Pons Aeni unterstrichen579. Die Fragmente eines Tellers Hayes 58 B580 und eines Teller- oder Schalenbodens581 in D1-Qualität dürften frühestens der Mitte oder erst der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zuzuordnen sein582. Allerdings lässt sich nur ein einziger Befund in dem Vicus dieser spätrömischen Nutzung zuordnen. Bei den Grabungen 1967 und 1969 kamen im Bereich der Schnitte A, B und C am Ostrand des Kastenfeldes im Vicusareal Spuren eines Tuffsteinfundamentes zutage583. 1971 konnte dieser Bereich erneut untersucht werden (Abb. 10)584. Die 0,7 m starke Tuffsteinmauer konnte zu einem rechteckigen Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 13 x 21 m rekonstruiert werden585. Anzeichen für eine Gliederung des Innenraums waren nicht erkennbar586. Das Gebäude wurde als militärisch genutztes horreum interpretiert, in dem man Güter zum weiteren Transport auf dem Inn gelagert haben soll587. Aufgrund des Münzspektrums und der Schichtenfolge ging Christlein von einer Erbauung und 577 Eine zivile Verwendung der Stücke ist jedoch nicht auszuschließen. Vgl. hierzu die bei Kellner zusammengefassten Münzreihen aus den Grabungen in Pons Aeni und dem Mithräum im Mühlthal (Kellner 1998, 90 Tab. 1). 579 Christlein/Kellner 1969, 109 Abb. 10 580 Ebd. Abb. 10,1. 581 Ebd. Abb. 10,3. 582 Vgl. zur Datierung der Form Hayes 58 B v.a. J. Hayes, Late Roman Pottery (London 1972) bes. 93–96; M. Mackensen, Die spätantiken Sigillata- und Lampentöpfereien von El Mahrine (Nordtunesien). Münchner Beitr. Vor- und Frühgesch. 50 (München 1993) 398. – Zur Datierung der D1-Importe in den Alpenraum siehe Ph. M. Pröttel, Mediterrane Feinkeramikimporte des 2.-7. Jahrhunderts n.Chr. im oberen Adriaraum und in Slowenien. Kölner Stud. Arch. Röm. Provinzen 2 (Espelkamp 1996) 42–55 bes. 42 f. 583 Christlein/Kellner 1969, 84 f.; Christlein u.a. 1976, 4. – Ein weiterer, scheinbar spätrömischer Befund wurde am Nordende des Schnitts E aufgedeckt. Es wurde ein kleines Stück eines Rollsteinfundamentes einer ca. 30 cm breiten Mauer erfasst, aus deren Fundamentgraben ein 332 n. Chr. geprägter Nummus des Constantinus I. stammt. Die geringe Restgröße des Befundes lässt keine Interpretation zu. Vgl. Christlein u.a. 1976, 10. 584 Christlein u.a. 1976, 83–85. 585 Ebd. 84. 586 Ebd. 587 Ebd. 85. – Eine Nutzung als horreum nimmt auch M. Mackensen an. Vgl. Mackensen 1999, 230 f. 578 54 Nutzung des Gebäudes schon im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts aus588. Dagegen schlug Mackensen auf der Basis der Münzreihe eine Datierung in constantinische Zeit vor589. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob die Erbauung des horreum möglicherweise mit einer militärischen Präsenz in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden kann. Bei einer daraus zu folgernden staatlichen Verwaltung des horreum könnte durchaus ein Zusammenhang mit den weiter innaufwärts gelegenen spätrömischen Militärposten und horrea hergestellt werden. Mit der Gründung des Kastells Teriolis/Martinsbühel wohl in constantinischer Zeit und der Stationierung des Praefectus legionis tertiae Italicae transvectioni specierum deputatae590 gewinnt der Inn als Transport- und Nachschubroute für die Heeresversorgung (erneut?) an Bedeutung591. Davon zeugen auch die großen Getreidespeicher in Innsbruck-Wilten, welche wohl im zweiten Viertel oder um die Mitte des 4. Jahrhunderts erbaut wurden und unter staatlicher Verwaltung standen592. Es ist durchaus möglich, dass auch das horreum und die militärische Präsenz in Pons Aeni Zeugnis des Ausbaus und der Sicherung dieser Nachschubroute sind. Die militärischen Aktivitäten werden möglicherweise durch einen 312/313 n. Chr. gesetzten Weihestein aus Prutting belegt, der die Wiederherstellung eines Tempels für Victoria unter der Leitung eines Praepositus der Equites Dalmatae Aquesiani Comitatenses belegt593. P. Reinecke und J. Garbsch gingen von einer ursprünglichen Aufstellung in Pons Aeni aus594, da es sich jedoch um eine comitatensische Einheit handelt, ist eine Stationierung dieser Truppe auf dem Kastenfeld wohl auszuschließen. Allerdings nahm auch Kellner schon an, dass Pons Aeni im frühen 4. Jahrhundert Standort einer berittenen Einheit war595, wofür der Sporn (Nr. P43) und die Gruppe der späten Pferdegeschirrbeschläge (Nr. P33–P37) sprechen könnten. Auch die weitere Rekonstruktion der Besatzungsgeschichte von Pons Aeni gestaltet sich schwierig. Leider gibt die Notitia Dignitatum keinen Hinweis darauf, wann die Equites stablesiani iuniores in Pons Aeni stationiert gewesen sein sollen. In der althistorischen Forschung wurde die Aufstellung der Equites stablesiani mit der Umstrukturierung des Heeres unter Gallienus in Zusammenhang gebracht596. Eine Unterteilung in seniores und iuniores wurde jedoch wohl erst mit der Heeresteilung unter Valentinian I. 364 n. Chr. durchgeführt597. H. Bender rechnete mit einer Versetzung der Equites stablesiani iuniores nach Febianis bzw. Febians, das er mit dem Bürgle gleichsetzte, im späten 4. oder 588 Christlein/Kellner 1969, 88. Mackensen 1999, 231. 590 A. Höck, Archäologische Forschungen in Teriola 1. Die Rettungsgrabungen auf dem Martinsbühel bei Zirl von 1993–1997. Spätrömische Befunde und Funde zum Kastell. Fundber. Österreich Materialh. R. A 14 (Wien 2003) 79; Kellner 1998, 93. 591 Vgl. hierzu Mackensen 1999, 222. 592 Ders. 1994, 507 f.; 511. 593 F. Vollmer, Inscriptiones Baivariae Romanae (München 1915) 2 Nr. 5; Christlein/Kellner 1969, 78; Garbsch 1994, 39 f. 594 Reinecke 1924, 39; Garbsch 1994, 39. – S. auch J. Garbsch/B. Overbeck, Spätantike zwischen Heidentum und Christentum (München 1989), 70 Nr. 10. 595 Christlein/Kellner 1969, 78. 596 Hoffmann 1969, 148; 252; M.J. Speidel, Stablesiani. Chiron 4, 1974, 541–546 bes. 546. 597 Hoffmann 1969, 127–130. – D. Hoffmann geht jedoch im speziellen Fall der Equites stablesiani davon aus, dass deren Teilung nichts mit der Heeresteilung zu tun gehabt hätte, liefert jedoch keinerlei Überlegungen zu einer möglichen abweichenden Datierung (ebd. 252). 589 55 frühen 5. Jahrhundert598. Als Folge dessen ging er von der Aufgabe des Kastells von Pons Aeni aus599, wodurch die Anwesenheit der Einheit dort auf das letzte Drittel des 4. Jahrhunderts beschränkt gewesen wäre. H. Castritius vermutete sogar, dass die angeblich erst im späten 4./frühen 5. Jahrhundert aufgestellten Pontaenenses noch vor den Equites stablesiani iuniores in Pons Aeni gelegen hätten600, was jedoch aufgrund der in der Notitia bezeugten Truppenverschiebung nach Febians unwahrscheinlich ist. Zum materiellen Niederschlag der Equites stablesiani iuniores dürfte die Bronzeschnalle mit festem Beschlag (Nr. M4), die Zwiebelknopffibeln Pröttel 3/4 sowie möglicherweise auch einige spätrömische Funde aus dem Mühlthal601 gezählt werden. Die Zwiebelknopffibel Keller/Pröttel 6 ist jedoch Nachweis für eine militärische Präsenz über die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert hinaus. Dies bedeutet, dass eine Verschiebung der Einheit nach Febians frühestens im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts erfolgt sein könnte. Die Umwehrung des Kastells war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon abgebrochen, da die Prägung des Magnentius aus der Verfüllung prägefrisch war. Auch von der gegenüberliegenden Innseite liegen aus der Flur Mühlthal Zwiebelknopffibeln602, eine Gürtelöse und eine Tierkopfschnalle603 vor, die der spätrömischen Militärtracht zugeordnet werden können. Ob sich daraus aber eine spätrömische militärische Präsenz auf beiden Uferseiten ableiten lässt, oder die Einheit dennoch im Bereich des Kastenfeldes lag – oder nur im Mühlthal? –, ist ohne eingehende archäologische Untersuchungen nicht zu klären604. Zusammenfassung Nach den Grabungen in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ergab sich mit dieser Materialvorlage auf der Basis der militärischen Ausrüstungsgegenstände, Pferdegeschirrbeschläge und Fibeln die Möglichkeit, die Besiedlungsgeschichte des römischen Vicus Pons Aeni erneut zu untersuchen. Der schon aufgrund des Materials aus den Grabungen angenommene Besiedlungsbeginn in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts kann durch das hier bearbeitete Fibelspektrum bestätigt werden. Die Analyse der zahlreichen militärischen Ausrüstungsgegenstände und historische Überlegungen deuten eine militärische Präsenz ab dem letzten Drittel des 2. Jahrhunderts an. Vermutlich wurde ein Detachement unbekannter Größe zur Kontrolle des Flussübergangs und der Nachschubversorgung auf dem Inn hier stationiert. Das Fibelspektrum und einzelne militärische 598 Bender 1996, 149. Ebd. 600 H. Castritius, Die Grenzverteidigung in Rätien und Noricum im 5. Jahrhundert n. Chr. In: H. Wolfram/A. Schwarcz (Hrsg.), Die Bayern und ihre Nachbarn. Österr. Akad. Wiss. Phil.–Hist. Kl., Denkschr. 179 (Wien 1985) 22 f. mit Anm. 20. 601 Pietsch 2001, 163 f. Abb. 2, 11. – Drei Tierkopfschnallen liegen u.a. auch aus dem spätrömischen Burghöfe vor, wo der zweite Teil der Equites stablesiani iuniores stationiert war (vgl. Pröttel 2002, 105 f. Taf. 6,66–68). 602 Pietsch 2001, 163 f. Abb. 2,13–16. 603 Ebd. Abb. 2,8.11. 604 Die Menge der Zwiebelknopffibeln lässt sich eigentlich nicht mit Verlusten von Soldaten erklären, die kurzfristig zur Kontrolle des Mühlthals oder dem Besuch des Mithräums auf diese Seite des Inns gekommen waren. Inwiefern jedoch eine beidseitige militärische Sicherung angenommen werden kann, lässt sich kaum klären. Aus dem Mühlthal sind, mit Ausnahme des Mithräums, keine Befunde bekannt. Jedoch deutet das Kleinfundspektrum auch hier eine Besiedlung bis in das späte 4. bzw. frühe 5. Jahrhundert an (vgl. Pietsch 2001, 163 f. Abb. 2,4–17). 599 56 Kleinfunde sprechen eventuell für Soldaten einer teilberittenen Einheit aus dem mittleren oder unteren Donauraum. Zusätzlich könnten einige der Militaria durch die epigraphisch gesicherte Zollstation, einen möglichen Benefiziarierposten oder durchziehende Truppenverbände erklärt werden. Die zeitliche Streuung der militärischen Ausrüstungsgegenstände deutet eine permanente Anwesenheit von Soldaten bis in das fortgeschrittene 3. Jahrhundert an. Diese waren in einem Kleinkastell auf dem Kastenfeld stationiert, das vermutlich mit den bislang als Zeugnis eines spätrömischen Kastells erklärten Befunden nunmehr auch zu lokalisieren ist. Eine Datierung und Nutzung der Anlage ab der Mitte des 4. Jahrhunderts ist auszuschließen. Hingegen ist eine frühere Errichtung im Vergleich mit mittelkaiserzeitlichen Kleinkastellen wie etwa Großprüfening eindeutig in Erwägung zu ziehen. Ob das Kastell von der Zerstörung des Vicus im mittleren Drittel des 3. Jahrhunderts betroffen wurde, lässt sich auf der Basis des Lesefundmaterials nicht klären. Dieser Einschnitt führte aber ebensowenig zu einer Besiedlungsunterbrechung im Vicusareal wie eine erneute Katastrophe um 270. Der Vicus war wohl bis in das 4. Jahrhundert besiedelt. Der einzig bekannte Befund dieser Spätphase, das Tuffsteinfundament, datiert vermutlich in constantinische Zeit. Aufgrund des Fehlens einer Innengliederung und der Maße ist eine Ansprache des Gebäudes als horreum wahrscheinlich. Leider lässt sich nicht sicher klären, ob mit einer permanenten militärischen Besatzung bis in spätrömische Zeit gerechnet werden kann. Obwohl das Fibelspektrum eine militärische Komponente im späten 3. und 4. Jahrhundert andeutet, war die auf einem Weihestein aus Prutting für das frühe 4. Jahrhundert belegte Reitereinheit der Equites Dalmatae Aquesiani Comitatenses sicherlich nicht in Pons Aeni untergebracht. Mit einer Stationierung der in der Notitia Dignitatum genannten Equites stablesiani iuniores kann nicht vor der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts gerechnet werden. Einzelne Bestandteile der spätrömischen Militärtracht lassen die Präsenz dieser Einheit in Pons Aeni bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts wahrscheinlich machen, ein zugehöriges Kastell ist jedoch noch zu lokalisieren. 57